Erklärung zu Polizeigewalt bei der Demonstration „United4Gaza“ in Berlin am 11.10.2025 /Statement on Police Violence at the demonstration “United4Gaza” in Berlin on 11.10.2025
English version below:
Um die Dokumentation von der Staatsrepression und Polizeigewalt bei Demonstrationen an einem Ort einfach zugängig zu machen, wird das folgende Statement von PA-Allies, der Arrest Press Unit und United4Gaza hier auch auf der PS Webseite mit Erlaubnis von PA-Allies, United4Gaza und der Arrest Press Unit aufgelistet:
Erklärung zu Polizeigewalt bei der Demonstration „United4Gaza“ in Berlin am 11.10.2025
von United4Gaza, Palestinians and Allies und der Arrest Press Unit
Berlin, 12. Oktober 2025
Am 11. Oktober 2025 marschierten rund 50.000 Menschen auf der "United4Gaza" Demonstration in Berlin und forderten ein Ende der Besatzung, des Völkermords in Palästina sowie ein Ende der aktiven Komplizenschaft Deutschlands.
Trotz der öffentlichen Erklärung von Bundeskanzler Merz, dass es „keinen Grund mehr“ gäbe, für Palästina zu demonstrieren, machten die Demonstrierenden deutlich, dass die Mobilisierung nicht aufhören wird, bis die 77 Jahre andauernde Vertreibung, der Siedlerkolonialismus und die Apartheid in Palästina ein Ende haben.
Die Massendemonstration forderte mit Nachdruck:
ein Ende der Waffenlieferungen und der militärischen Zusammenarbeit
die Einhaltung des Völkerrechts
die Aufklärung des Völkermords, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und der Kriegsverbrechen
ein Ende der Kriminalisierung von Palästinenser*innen und Solidarität mit Palästina
ungehinderte humanitäre Hilfe für Gaza.
Eskalation der Polizeigewalt
Die Behörden reagierten auf die Mobilisierung mit einem massiven Einsatz von Polizeikräften. Darüber hinaus änderte die Polizei kurz vor Beginn der Demonstration die Route und verbot den Demonstrierenden, durch das Brandenburger Tor zu marschieren.
Noch bevor die Demonstration überhaupt begonnen hatte, nahmen Polizeibeamte mehrere Versammlungsteilnehmer*innen aus absurden Gründen fest – beispielsweise weil sie Ohrringe trugen, die vage wie Dreiecke geformt waren, weil sie Flaggen, Kleidung oder Aufkleber mit Symbolen wie der erhobenen Faust bei sich hatten oder weil sie Slogans wie „Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein” skandierten - ein Slogan, der bereits durch mehrere Gerichtsurteile als von der Meinungsfreiheit geschützt erklärt worden ist. Eine Demonstrantin wurde von der Polizei gezwungen, ihr T-Shirt auszuziehen, um an der Demonstration teilnehmen zu dürfen. Eine andere Demonstrantin, die Zeugin einer brutalen Festnahme wurde und sich der Polizei näherte, um sie davon abzuhalten, den Festgenommenen weiter zu schlagen, wurde selbst zu Boden geworfen, geschlagen und von der Polizei mit dem Auto weggebracht. Die Polizei weigerte sich, ihr medizinische Hilfe zu leisten oder die Organisatoren über ihren Verbleib zu informieren.
Änderung der Polizeitaktik
Nachdem die Polizei das enorme Ausmaß der Demonstration erkannt hatte, änderte sie ihre Taktik – sie verlangsamte das Tempo und Anzahl der Festnahmen.
Trotzdem kam es zu zahlreichen Fällen von rechtswidriger Polizeigewalt, die sich insbesondere gegen Kinder, Jugendliche und Familien richtete. Das Verhalten der Polizei lässt eindeutig eine Strategie zur Einschüchterung der Demonstrierenden erkennen. Die Botschaft an die Versammlungsteilnehmer*innen ist klar: Die Teilnahme an einer Palästina solidarischen Demonstration ist unsicher und gefährlich für Familien, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Die Polizei gewährleistet nicht die Sicherheit von Kindern und Jugendlichen und gefährdet damit aktiv ihre Gesundheit und ihr psychisches Wohlbefinden. Darüber hinaus ist die enorme Zahl der eingesetzten Polizeikräfte mit mehreren Absperrungen auf beiden Seiten des Protests an sich schon ein Mittel der Bedrohung und Einschüchterung.
Dokumentation von Polizeigewalt
Unser Dokumentationsteam begleitete die Demonstration und sammelte Augenzeugenberichte, Aussagen von Festgenommenen sowie Video-, Audio- und Fotoaufnahmen als Beweise für Polizeigewalt. Ebenso holte es Beobachtungen von Sanitäter*innen und Rechtsbeiständen ein.
Zu den dokumentierten Vorfällen gehören:
Die Polizei drang wiederholt in die Demonstration ein, schlug Teilnehmer*innen und filmte sie – eine Form der Massenüberwachung, die gegen die Versammlungsfreiheit verstößt.
33 dokumentierte Festnahmen, davon mindestens sechs mit ungerechtfertigten Schlägen und Brutalität.
Mindestens drei Minderjährige wurden aus trivialen Gründen festgenommen – der jüngste war 10 Jahre alt.
Mindestens zwei separate Vorfälle, bei denen kleine Kinder in Polizeigewalt und brutale Festnahmen verwickelt wurden.
Ein palästinensischer Demonstrierender wurde grundlos brutal von der Polizei festgenommen und die Gefangenensammelstelle (Gesa) gebracht. Dort wurde vom Haftrichter Präventivhaft angeordnet bis zum Ende des nächsten Tages.
Gefährdung von Familien und Kindern
Besonders alarmierend sind die Festnahmen von Minderjährigen und das Versagen der Polizei, die Sicherheit von Familien während einer friedlichen und genehmigten Demonstration zu gewährleisten.
Während des Protests schlug die Polizei wahllos auf Menschen in der Menge ein, wodurch ein 1-jähriges Kind, das von seiner Mutter im Arm gehalten wurde, verletzt wurde, bevor es ihnen gelang, den Bereich zu verlassen.
Ein Vater, der seinen 3-jährigen Sohn auf dem Arm trug, wurde von der Berliner Polizei brutal festgenommen und geschlagen. Dabei war er gar kein Teilnehmer der Demonstration, sondern überquerte lediglich mit seinem Kind die Straße. Trotz der Bitte des Vaters, ihn mit seinem Kind freizulassen, führte die Polizei die Festnahme mit dem 3-jährigen Sohn auf dem Arm durch. Das Kind weinte und war sichtlich eingeschüchtert von den umstehenden Polizisten. Nachdem er seinen Sohn der Mutter übergeben hatte, brachten ihn mehrere Polizisten zu Boden und schlugen ihn – direkt vor den Augen von Mutter und Sohn. Der festgenommene Vater musste wegen einer Kopfverletzung, die ihm durch die Polizeigewalt zugefügt worden war, im Krankenhaus behandelt werden. Dieser Vorfall kann für das Kind traumatisierend sein.
Seit zwei Jahren beobachten wir bei palästinensisch geführten Protesten, dass vor allem palästinensische, aber auch andere rassifizierte Kinder und Jugendliche von der Polizei angegriffen und festgenommen werden, wobei Konventionen und Standards für Kinderrechte und Kinderschutz ignoriert werden.
Alle Photos sind von @egultekin_ / All photos by @egultekin_
Dokumentierte Formen von Polizeigewalt
Schläge gegen Kopf, Brust und Bauch, die schwere Verletzungen verursachen können
Demonstrierende wurden bei Festnahmen zu Boden gebracht. In einem Fall drückte ein Beamter sein Bein auf den Nacken einer Festgenommenen und schränkte dadurch ihre Atmung stark ein.
Demonstrierende wurden gewaltsam aus der Menge gezerrt
Schmerz- und Würgegriffe
Festgehaltene Demonstrierende wurden gegen Polizeifahrzeuge geschleudert
Festnahme von Kindern aus trivialen Gründen und Gefährdung von Babys durch Polizeigewalt
Polizeigewalt muss ein Ende haben.
Solch brutale und rechtswidrige Polizeimaßnahmen offenbaren einmal mehr die anhaltenden Bemühungen, die palästinensische Befreiungsbewegung und ihre Proteste gegen Völkermord zu kriminalisieren. Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit sind Grundrechte, die für alle gelten müssen. Wir lehnen den Einsatz staatlicher Repressionen ab, um diejenigen einzuschüchtern und zu kriminalisieren, die sich gegen koloniale Unterdrückung wehren. Der Kampf für Gerechtigkeit und Befreiung wird weitergehen.
Wir fordern:
Die sofortige Beendigung aller polizeilichen Gewalt
Eine unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt bei der Demonstration
Die Suspendierung der Beamten, die für übermäßige Gewaltanwendung und Misshandlung von Festgenommenen verantwortlich sind
Kinderschutzmaßnahmen bei Demonstrationen in voller Übereinstimmung mit der UN-Kinderrechtskonvention
Schutzmaßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit gefährdeter Gruppen bei Protesten – darunter Kinder, Jugendliche, Frauen, Trans-, nicht-binäre und queere Menschen sowie Geflüchtete
Drogentests für Polizeibeamte, die bei Demonstrationen eingesetzt werden
Uneingeschränkte Achtung der Versammlungsfreiheit
Wir rufen die Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen dazu auf, Polizeigewalt gegen palästinensisch geführte Proteste in Deutschland zu dokumentieren und zu untersuchen. Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen. Der Protest für ein freies Palästina wird auf den Straßen Berlins weitergehen.
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In order to make the documentation of state repression and police violence during demonstrations easily accessible in one place, the following statement from the Arrest Press Unit, United4Gaza, and Palestinians and Allies (pallies) is also listed here on the PS website with permission from the Arrest Press Unit, United4Gaza, and Palestinians and Allies (pallies):
Statement on Police Violence at the demonstration “United4Gaza” in Berlin on 11.10.2025
by United4Gaza, Palestinians and Allies and the Arrest Press Unit
Berlin, 12 October 2025
On 11 October 2025, during the demonstration “United4Gaza”, around 50,000 people marched through the streets of Berlin, calling for an end to the occupation and genocide in Palestine, and for an end to Germany’s active complicity in the genocide.
Despite Chancellor Merz’s public statement that there was “no longer any reason” to demonstrate in support of Palestine, the enormous crowd made it clear that the mobilization will not stop until the 77-year-long displacement, settler-colonialism, and apartheid in Palestine come to an end.
The mass demonstration powerfully demanded:
an end to arms deliveries and military cooperation
respect for international law
accountability for the genocide, crimes against humanity and war crimes
the end of criminalization of Palestinians and solidarity with Palestine
unhindered humanitarian aid to Gaza.
Escalation of Police Violence
The authorities responded to the mobilization with an overwhelming deployment of police forces. In addition, the Police changed the route of the protest shortly before it´s start and prohibited the protestors from marching through Brandenburger Tor.
Before the demonstration even began, police officers began arresting several protestors for absurd reasons — such as wearing earrings vaguely shaped like triangles, carrying flags, clothes, or stickers with symbols like the raised fist, or chanting slogans such as “From the river to the sea, Palestine will be free”, which multiple court rulings have already declared protected by freedom of speech. One female protestor was forced by the police to remove her t-shirt in order to be allowed to participate in the demonstration. Another female protestor who witnessed a brutal arrest and approached the police to stop beating the arrested was herself thrown to the ground, severely beaten, and taken away by car by the police. The police refused to provide her medical care or to inform organizers about her whereabouts.
Shift in Police Tactics
After realizing the enormous scale of the demonstration, the police changed tactics — slowing down the pace and number of arrests. Despite this, numerous incidents of unlawful police violence occurred, particularly targeting youth, families, and children. The police conduct clearly reveals a strategy to to intimidate protestors. The message to the protestors is clear: To participate in a protest in solidarity with Palestine is unsafe and dangerous for families, especially for children and youth. The police does not ensure the safety of children and youth and therefore endangers actively their health and psychological well-being. Furthermore, the enormous number of police deployed, with multiple cordons on both sides of the march, is in itself a tool of threat and intimidation.
Documentation of Police Violence
Our documentation team accompanied the demonstration and collected eyewitness reports, testimonies from detainees, and video, audio, and photographic evidence of police violence. It also gathered observations from paramedics and legal advisors.
Documented incidents include:
Police repeatedly entered the demonstration, punching and filming participants — a form of mass surveillance of protesters that violates the freedom of assembly.
33 documented arrests, at least six involving unjustified beatings and brutality.
At least three minors arrested for trivial reasons — the youngest being 10 years old.
At least two separate incidents in which small children were caught up in police violence and brutal arrests.
A Palestinian protestor was brutally arrested by the police without cause and taken to the detention center (Gesa). There, the magistrate ordered preventive detention until the end of the following day.
Endangering Families and Children
The arrests of minors and the failure of the police to ensure the safety of families during a peaceful and authorized demonstration are particularly alarming.
During the march, police randomly punched people in the crowd, causing a one-year-old child held in her mother’s arms to be hurt before they managed to leave the area.
A father carrying his 3-year-old son in his arms was brutally arrested and beaten by Berlin police. He was not a participant of the protest, but simply crossing the street with his child. Despite the father´s plea of letting him free with his child, the police carried out the arrest with the 3-year-old son on his arms. The child was crying and clearly intimidated by the surrounding police officers. After handing his son to the mother, several police officers brought the father down to the ground and beat him up - right in front of the eyes of mother and son. The arrested father had to be treated in hospital for a head injury caused by the police violence. This incident is potentially traumatizing for the child.
Since two years we are witnessing on Palestinian led protests that especially Palestinian, but also other racialized children and youth, are attacked and arrested by the police ignoring conventions and standards for children´s rights and protection.
Documented Forms of Police Violence
Punches to the head, chest, and abdomen, risking serious injury
Forcing protesters to the ground during arrests; in one case, an officer placed their leg on a detainee’s neck, severely restricting her breathing
Dragging protesters violently from the crowd
Use of pain grips and chokeholds
Slamming restrained protesters against police vehicles while continuing pain holds
Arresting children for trivial reasons and endangering babies by police violence
Police Violence Must End
Such brutal and unlawful police procedures once again exposes the ongoing effort to criminalize the Palestinian liberation movement and its anti-genocide protests. Freedom of assembly and freedom of expression are fundamental rights that must be upheld for all. We reject the use of state repression to intimidate and criminalize those who stand against colonial oppression. The fight for justice and liberation will continue.
We demand:
An immediate end to all police violence
An independent investigation into police brutality at the demonstration
Suspension of officers responsible for excessive force and mistreatment of detainees
Child-protection measures at demonstrations, in full compliance with the UN Convention on the Rights of the Child
Protective measures ensuring the safety of vulnerable groups at protests — including children, youth, women, trans, non-binary and queer people, and refugees
Drug testing of police officers deployed at demonstrations
Full respect for the freedom of assembly
We call on civil society and human rights organizations to document and investigate police violence against Palestinian-led protests in Germany.
We will not be silenced. The protest for a free Palestine will continue on the streets of Berlin.