Erklärung zu Festnahmen, massiver Polizeigewalt und Kriminalisierung – 27.09.2025 /Statement on Arrests, Mass Police Violence and Criminalization at protest "United in Liberation, Fight Normalization"

English version below:

Um die Dokumentation von der Staatsrepression und Polizeigewalt bei Demonstrationen an einem Ort einfach zugängig zu machen, wird das folgende Statement von PA-Allies, der Arrest Press Unit und Alliance of Internationalist Feminists hier auch auf der PS Webseite mit Erlaubnis von PA-Allies, Alliance of Internationalist Feminists und der Arrest Press Unit aufgelistet:

Erklärung zu Festnahmen, massiver Polizeigewalt und Kriminalisierung – 27.09.2025 bei der Demonstration „United in Liberation, Fight Normalization“ in Berlin

Von der Arrest Press Unit, Alliance of Internationalist Feminists und Palestinians and Allies (Pallies)

Berlin, 28. September 2025

Am 27. September fand in Berlin die Demonstration „United in Liberation, Fight Normalization“ statt. Rund 4.000 Teilnehmer:innen kamen zusammen, vereint in einem kraftvollen Ruf nach der bedingungslosen Befreiung Palästinas. Befreiung ist keine Wohltätigkeit, keine Unterhaltung und kein leeres Schlagwort, sondern Teil einer lebendigen Befreiungsbewegung, die sich der Auslöschung widersetzt und auf Freiheit, Rückkehr und Gerechtigkeit für das palästinensische Volk besteht.

Die Dokumentation der Festnahmen und Polizeigewalt stammt von unserem Dokumentationsteam, das die Demonstration begleitete. Sie basiert auf Augenzeugenberichten, Aussagen der Festgenommenen sowie Video-, Audio- und Bildmaterial.

Die Demonstrierenden prangerten Deutschlands Komplizenschaft an der Besatzung, der ethnischen Säuberung, der fortgesetzten Inhaftierung palästinensischer Gefangener, der Aufrechterhaltung des Siedlerkolonialismus und illegaler Siedlungen, und forderten die Zerstörung der Apartheidmauer und ein Ende des Völkermord am palästinensischen Volk. Sie forderten die bedingungslose Freiheit aller palästinensischen Gefangenen, die Abschaffung des Siedlerkolonialismus und illegaler Siedlungen sowie die Durchsetzung des Rückkehrrechts für alle Palästinenser:innen weltweit. Alles andere wäre eine Kapitulation.

Die Demonstration war massiv von Polizei begleitet, mit Beamten in voller Kampfmontur und mehreren Dutzend Polizeiwagen. Die Absicht und der Auftrag der Berliner Polizei, orchestriert vom Berliner Bürgermeister, war eindeutig: die Demonstrierenden zu unterdrücken, zu kriminalisieren und einzuschüchtern. Von Beginn an eskalierte die Polizei mit unverhältnismäßiger und unrechtmäßiger Gewalt. Einsatzkräfte stürmten die Demonstration, ohne zuvor Maßnahmen anzukündigen. Stattdessen schürten sie absichtlich Massenpanik, indem sie in die Menge stürmten. Demonstrierende wurden brutal festgenommen, geschlagen, mit Faustschlägen gegen Kopf und Brust attackiert, heftig gestoßen und zu Boden gedrückt.

Insgesamt dokumentierte unser Team die Festnahmen von rund 52 Demonstrierenden durch die Berliner Polizei. Die Mehrheit dieser Festnahmen erfolgte aufgrund falscher Anschuldigungen oder ohne jegliche Begründung. Teilweise nahm die Polizei Demonstrierende allein aufgrund des Slogans „From the river to the sea, Palestine will be free“ gewaltsam fest – obwohl mehrere Gerichtsurteile bestätigt haben, dass dieser Slogan von der Meinungsfreiheit geschützt ist.  Sechs Demonstrierende wurden in die Gefangenensammelstelle gebracht, mehrere mussten nach Verletzungen durch Polizeibeamte medizinisch behandelt werden.

Während und nach dem Polizeieinsatz dokumentierten Sanitäter*innen eine Reihe von Verletzungen und akuten Gesundheitsproblemen bei Demonstrierenden. Dazu gehörte ein Krampfanfall, ausgelöst durch eine gewaltsame Festnahme, sowie ein Verdacht auf einen gebrochenen Wangenknochen. Mehrere Personen erlitten psychische Ausnahmezustände infolge von Schlägen und Pyrotechnik, daneben zahlreiche Prellungen im Gesichts- und Rippenbereich durch Schläge. Zudem hatten mehrere Betroffene vorübergehende Hörprobleme durch die Nähe zu Pyrotechnik, und eine Person zog sich eine Beinverletzung durch Pyrotechnik zu.

Die Polizei beendete die Demonstration vorzeitig um 17:10 Uhr. Der Protest sollte ursprünglich von Berlin Moritzplatz bis Südstern ziehen. Stattdessen wurde er gewaltsam am Kottbusser Damm aufgelöst.

Wie bereits bei vielen früheren Protesten zu beobachten, griff die Polizei unmittelbar nach der offiziellen Auflösung zur Einkesselung der Demonstrierenden. Während einige Demonstrierende einzeln gehen durften, praktizierte die Polizei gleichzeitig Racial Profiling und gezielte Festnahmen. Personen, die versuchten, den Kessel zu verlassen, wurden absichtlich herausgegriffen und festgenommen.

Konkret dokumentierte Polizeigewalt:

  • Sexualisierte Gewalt, indem Polizisten Demonstrierende und Mitglieder des Dokumentationsteams absichtlich an der Brust packten und wegstießen.
    Gewaltsame Faustschläge gegen Kopf, Brust und Bauch von Demonstrierenden, mit erheblichem Verletzungsrisiko.

  • Demonstrierende wurden brutal zu Boden geworfen und fixiert.

  • Demonstrierende wurden gewaltsam aus der Menge gezerrt.

  • Schmerzgriffe und Würgegriffe während Festnahmen.

  • Festgenommene gegen Polizeifahrzeuge gestoßen und selbst nach Fixierung weiter mit Schmerzgriffen misshandelt.

  • Transparente und Banner wurden gewaltsam entrissen

  • Den Festgenommenen wurden Übersetzer:innen verweigert.

  • Kontakt zwischen Festgenommenen und Zeug:innen/Anwält:innen zur Weitergabe von Personalien verhindert.

  • Festgenommene wurden teilweise direkt in Polizeifahrzeugen abtransportiert.

Das Ausmaß der Polizeigewalt gegen die Demonstrierenden ist erneut ein klares Beispiel für die Komplizenschaft des deutschen Staates an der andauernden Besatzung, Apartheid, ethnischen Säuberung und dem Völkermord am palästinensischen Volk. Um diese Komplizenschaft am Genozid zu verschleiern, kriminalisiert der deutsche Staat fortlaufend diejenigen, die für die Befreiung Palästinas eintreten. Im Gegensatz dazu durfte die Parallel-Demonstration, organisiert unter den Bannern von Parteien, NGOs und Organisationen, die es in den letzten zwei Jahren versäumt haben, Deutschlands Unterstützung für Israels Genozid ernsthaft anzuprangern, friedlich und ohne Polizeigewalt marschieren.

Polizeigewalt muss beendet werden

Trotz polizeilicher Repression und Gewalt blieben die Demonstrierenden standhaft, schützten einander vor der brutalen Gewalt und demonstrierten weiterhin für ihre Forderungen.

Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind grundlegende Rechte, die für alle gewahrt werden müssen. Wir weisen die staatliche Repression zurück, die darauf abzielt, jene einzuschüchtern und zu kriminalisieren, die sich gegen koloniale Unterdrückung stellen. Der Kampf für Gerechtigkeit und Befreiung wird weitergehen.

Unsere Forderungen:

  • Sofortiges Ende aller Formen von Polizeigewalt.

  • Eine unabhängige Untersuchung der Polizeibrutalität bei der Demonstration.

  • Suspendierung der für übermäßige Gewalt und Misshandlung von Festgenommenen verantwortlichen Beamt:innen.

  • Einführung von Kinderschutzmaßnahmen bei Demonstrationen und uneingeschränkte Einhaltung der UN-Kinderrechtskonvention.

  • Schutzmaßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit besonders gefährdeter Gruppen bei Protesten, darunter Kinder, Jugendliche, Frauen, trans, nicht-binäre und queere Personen sowie Geflüchtete.

  • Wir rufen alle zivilgesellschaftlichen und Menschenrechtsorganisationen auf, die Polizeigewalt gegen palästina-solidarische Demonstrationen in Deutschland zu dokumentieren und zu untersuchen.

Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen. Der Protest für ein freies Palästina wird weiterhin auf den Straßen Berlins stattfinden.


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In order to make the documentation of state repression and police violence during demonstrations easily accessible in one place, the following statement from the Arrest Press Unit, Alliance of Internationalist Feminists, and Palestinians and Allies (pallies) is also listed here on the PS website with permission from the Arrest Press Unit:

Statement on Arrests, Mass Police Violence and Criminalization – 27.09.2025 at the demonstration "United in Liberation, Fight Normalization" in Berlin

by the Alliance of Internationalist Feminists, Palestinians and Allies  and the Arrest Press Unit

Berlin, 28 September 2025

On 27 September, the demonstration "United in Liberation, Fight Normalization" took place in Berlin. Around 4,000 participants came together, united in a powerful call for the unconditional liberation of Palestine. Liberation is not charity, not entertainment, and not empty slogans, but part of the living liberation movement that refuses erasure and insists on freedom, return, and justice for the Palestinian people.

The documentation of the arrests and police violence stems from our documentation team, who accompanied the demonstration. The documentation consists of eyewitness reports, testimonies and statements of the arrested, as well as video, audio and image evidence. 

The protesters denounced Germany's complicity in the occupation, ethnic cleansing, the ongoing imprisonment of Palestinian prisoners, the continuation of settler colonialism and illegal settlements, the demolition and destruction of the apartheid wall, and the genocide of the Palestinian people. They demanded the unconditional freedom of all Palestinian prisoners, the dismantling of settler colonialism and of illegal settlements, and the enforcement of the right of return for all Palestinians worldwide. Anything less would be a capitulation.

The demonstration was heavily policed, with police in riot gear and several dozen police vans. The intention and mandate of the Berlin police, orchestrated by the mayor of Berlin, was clear: suppress, criminalize, and intimidate the protesters. From the very beginning, the police escalated violence against the demonstrators. The police entered the protest without announcing any measures prior to the violent arrests. Instead, they intentionally created mass panic by storming the crowd. Protesters were brutally arrested, beaten, punched in the head and chest, and violently shoved and pushed.

In total, our documentation team recorded the arrests of around 52 protesters by the Berlin Police. The majority of these arrests were carried out under false accusations or without any accusation provided at all. In some cases, the police violently arrested demonstrators solely for chanting the slogan “From the river to the sea, Palestine will be free” – even though several court rulings have confirmed that this slogan is protected under freedom of expression. Six protesters were taken to the detention center (Gefangenensammelstelle), and several required medical attention after being injured by police officers.

During and after the police operation, paramedics documented a range of injuries and acute health issues among demonstrators. These included one seizure triggered by the violent arrest of an individual and one suspected fractured cheekbone. Multiple participants suffered psychological crises in response to beatings and pyrotechnics, alongside numerous cases of contusions to the face and ribs from police blows. Several individuals experienced temporary hearing loss from proximity to pyrotechnics, and one person sustained a leg injury directly caused by pyrotechnics.

The police prematurely canceled the demonstration at 17:10. The protest was originally planned to march from Berlin Moritzplatz to Südstern. Instead, the police violently dissolved it at Kottbusser Damm.

As witnessed at many previous protests, immediately after officially dissolving the protest, the police reverted to kettling demonstrators. While allowing a small number of protesters to leave individually, they simultaneously engaged in racial profiling and carried out targeted arrests. Individuals attempting to leave the protest while kettled were deliberately singled out and arrested.

Specifically, the documentation team recorded the following forms of police violence:

  • Sexualized violence, with police officers intentionally grabbing and pushing protesters and members of the documentation team by the breasts.

  • Violently punching protesters in the head, chest, and abdomen, risking serious injuries.

  • Forcing protesters violently to the ground during arrests.
    Dragging protesters brutally from the crowd.

  • Using pain grips and chokehold during arrests

  • Pushing arrested protesters against police cars and applying pain grips even after they were restrained.

  • Ripping banners from protesters.

  • Refusing arrested protesters access to translators.

  • Preventing contact between arrested protesters and witnesses/lawyers to communicate personal data.

  • Driving arrested protesters away in police cars.

The scale of police violence against the protesters is yet again a clear example of the German state’s complicity in the ongoing occupation, Apartheid, ethnic cleansing, and genocide on the Palestinian people. To cover up their complicity on the genocide, the German State is continuously criminalizing those who call for liberation of Palestine. In contrast, the parallel demonstration, organized under the banners of parties, NGOs, and organizations that have failed for the past two years to address and oppose Germany’s support for Israel’s genocide  was allowed to march peacefully without police violence.

Police Violence Must End

Freedom of assembly and expression are fundamental rights that must be upheld for all. We reject the state’s use of repression to intimidate and criminalize those standing against colonial oppression. The fight for justice and liberation will continue.

Despite the police repression and violence, the protesters stood strong, protected each other from the sheer brutality, and continued to rise up for what is right — a determination that remains unbroken.

We demand:

  • An immediate end to all kinds of police violence.

  • An independent investigation into the police brutality at the demonstration.

  • The suspension of police officers responsible for excessive force and mistreatment of detainees.

  • The introduction of child protection measures at demonstrations and unconditional compliance with the UN Convention on the Rights of the Child

  • Protective measures to ensure the safety of vulnerable groups at protests, including children, youth,  women, trans, non-binary and queer people and refugees.

  • We call on all civil society and human rights organizations to document and investigate the police violence against Palestinian-led protests in Germany.

We will not be silenced. The protest for a free Palestine will continue on the streets of Berlin.

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Erklärung zu Massenfestnahmen und Polizeigewalt 07.10.2025 anlässlich der Demonstration „Until Total Liberation“/ Statement on Mass Arrests and Police Violence at the protest “Until Total Liberation”

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