Statement zur Polizeigewalt bei der „UNITED FOR GAZA“-Kundgebung – 21. Juni 2025, Berlin
English version below:
Um die Dokumentation von der Staatsrepression und Polizeigewalt bei Demonstrationen an einem Ort einfach zugängig zu machen, wird das folgende Statement von PA-Allies und der Arrest Press Unit hier auch auf der PS Webseite mit Erlaubnis von PA-Allies und der Arrest Press Unit aufgelistet:
Von der Arrest Press Unit und Palestinians and Allies (Pallies)
Berlin, 22 Juni 2025
Am 21. Juni 2025 fand in Berlin eine Massendemonstration in Solidarität mit Palästina statt. Zehntausende Menschen strömten auf die Straßen und machten laut und deutlich klar: Die Solidarität mit Palästina und der Widerstand gegen Deutschlands Komplizenschaft am Völkermord sind stärker denn je – trotz der anhaltenden gewaltsamen Repression gegen abweichende Meinungen, die bereits ernste Bedenken beim Menschenrechtskommissar des Europarats, Michael O’Flaherty, hervorgerufen hat, insbesondere hinsichtlich der Einschränkung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Deutschland.
Selbst nach 20 Monaten staatlicher Gewalt und Repression wächst die Bewegung für ein freies Palästina und gegen die imperialistischen Kriege unter Führung Israels und der USA weiter. Am 21. Juni fand in Berlin eine Großdemonstration – von den Veranstaltenden auf 70.000, von der Polizei auf 15.000 geschätzt – statt, um sich dem Völkermord und der ethnischen Säuberung im besetzten Palästina sowie der deutschen Mitverantwortung entgegenzustellen.
Die Demonstration fand nur wenige Stunden vor einem US-Luftangriff auf drei iranische Nuklearanlagen statt – ein Akt, der Israels kolonialen Krieg gegen Palästina in einen breiteren imperialistischen Konflikt eskaliert. Vor dem Hintergrund globaler Aufrüstung und Gewalt sandte der Protest in Berlin ein klares Signal: Die Menschen stehen für Frieden, für die Befreiung Palästinas – und gegen Deutschlands Rolle bei der Ermöglichung von Massakern, von Gaza bis in den gesamten Nahen Osten.
Seit Oktober 2023 mobilisieren Menschen in ganz Deutschland unermüdlich, um ein Ende der politischen und militärischen Unterstützung der Bundesregierung der Massaker an palästinensischen Zivilist*innen und der Besatzung ihres Landes zu fordern. Nach 20 Monaten Genozid in Gaza und einer sich verschärfenden Kriegsdynamik unter israelischer und US-amerikanischer Führung reagiert der deutsche Staat nicht mit Verantwortung – sondern mit brutaler Repression.
Während die Menschen Frieden und Befreiung fordern, vertieft Deutschland seine Unterstützung für den Völkermord
Während Menschen in ganz Europa Frieden und ein freies Palästina fordern, führt die Bundesregierung den europäischen Block in bedingungsloser Unterstützung für Israels Völkermord an. Bundeskanzler Friedrich Merz begrüßte Israels einseitigen Angriff auf den Iran schamlos und dankte dafür, dass Israel „die Drecksarbeit für uns“ erledige – und stellte Israel offen als bewaffneten Arm des westlichen Imperialismus dar.
Gleichzeitig vertiefen sich die Risse innerhalb der EU. Spanien forderte öffentlich ein Waffenembargo gegen Israel und stellte sich gegen die NATO-Forderungen nach höheren Rüstungsausgaben. Deutschland hingegen bleibt eines der wenigen EU-Länder, das sich weiterhin weigert, Sanktionen oder Handelsbeschränkungen gegen Israel zu unterstützen – und stellt sich damit zunehmend gegen die eigenen verfassungsrechtlichen Prinzipien sowie gegen europäisches und internationales Recht.
Deutschland wegen autoritärer Repression verurteilt
In einem am 6. Juni 2025 veröffentlichten Schreiben an die Bundesinnenministerin äußerte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Michael O’Flaherty, erhebliche Bedenken hinsichtlich der Einschränkungen von Meinungs- und Versammlungsfreiheit für Menschen, die gegen den Krieg in Gaza protestieren. Er verurteilte zudem Berichte über exzessive Polizeigewalt gegen Demonstrierende – darunter auch Minderjährige.
Der Kommissar kritisierte das Verbot von Protesten, Symbolen und Slogans und warnte die deutschen Behörden davor, die Definition von Antisemitismus zu verzerren, um freie Meinungsäußerung und legitimen politischen Protest zu unterdrücken.
Polizeigewalt: anhaltend und systematisch
Diese Kritik folgt auf fast zwei Jahre dokumentierter Repression – darunter wiederholte Übergriffe der Polizei auf Demonstrierende, viele davon minderjährig – die wir gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, Organisationen für Meinungsfreiheit und Rechtsexpert*innen konsequent angeprangert haben.
Eines der schwerwiegendsten Beispiele ereignete sich bei der Nakba-Demonstration am 15. Mai 2025, bei der 88 Menschen verhaftet und 36 Versammlungsteilnehmende verletzt wurden – einige verloren das Bewusstsein und erhielten keine rechtzeitige medizinische Hilfe. Dieses Ereignis markierte eine deutliche Eskalation verfassungswidriger Gewalt durch die deutsche Polizei.
Trotz der Aufforderung des EU-Kommissars, diskriminierende Maßnahmen aufgrund politischer Überzeugungen, Religion, ethnischer Zugehörigkeit oder Migrationsstatus zu unterlassen, setzen die Berliner Behörden weiterhin auf rechtswidrige und gewaltsame Maßnahmen gegen friedlich Demonstrierende.
Polizei reagiert auf friedlichen Protest mit rassistischen Festnahmen und Gewalt
Trotz öffentlicher Appelle zum Schutz der Grundrechte reagierte die Berliner Polizei auf den Protest vom 21. Juni mit systematischer Repression:
40 Personen wurden festgenommen, die überwältigende Mehrheit waren rassifizierte Personen und Menschen mit Migrationsgeschichte.
Viele wurden festgenommen, weil sie Symbole wie das rote Dreieck, die Faust in den Farben der palästinensischen Flagge oder Banner mit der Aufschrift „Nein zum Völkermord“ zeigten.
Die Polizei wandte schmerzhafte Fixierungstechniken an, schränkte die Atmung durch Abdecken von Nase und Mund ein und warf Menschen zu Boden.
Ein Demonstrant wurde von der Polizei geschlagen, am Hals gewürgt und ins Gesicht geschlagen, bevor er von der Polizei in ein Geschäft abseits der Menge gezerrt, dort zu Boden fixiert wurde und das Bewusstsein verlor. Er wurde am Kopf geschlagen, erlitt zwei Krampfanfälle und biss sich auf die Zunge. Rettungskräfte wurden über längere Zeit nicht zugelassen, der Betroffene musste später ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Auch ein Mitglied des Awareness- und Sicherheitsteams wurde gewaltsam festgenommen. Er wurde am Oberkörper und an den Beinen geschlagen und am Boden fixiert, wo ihm weiter gegen den Kopf geschlagen wurde. Danach wurde er ebenfalls isoliert in ein Geschäft gezerrt. Sanitäter*innen wurde der Zutritt über längere Zeit verweigert – selbst ein Mitglied des Bundestags, der als ausgebildeter Notfallsanitäter vor Ort war, durfte den Verletzten nicht untersuchen.
Während die meisten Festgenommenen kurz nach der Kundgebung freigelassen wurden, wurden fünf Personen in das Gefangenensammellager (GeSa) gebracht.
Demonstrierende mit israelischen Flaggen durften unter Polizeischutz in die Demo eindringen und provozierten gezielt.
Ein Mann wurde festgenommen, weil er angeblich gegen ein Demonstrationsverbot verstoßen habe – obwohl ein Gericht ihm das Demonstrationsrecht zuvor ausdrücklich bestätigt hatte. Die Polizei missbraucht solche Verbote zunehmend, um willkürlich politische Teilhabe zu unterbinden.
Während die Polizei brutal gegen palästinasolidarische Demonstrierende vorging, konnten bekannte Neonazis und rechte Streamer ungestört herumlaufen, Teilnehmer*innen bedrängen und provozieren – ohne dass die Polizei einschritt.
Die meisten Festnahmen erfolgten vor und kurz nach Beginn bzw. Ende der offiziellen Demonstration. Die Polizei griff frühzeitig in das Geschehen ein, störte den Ablauf, erzeugte Verwirrung und provozierte Eskalationen – ein bekanntes Muster der verfassungswidrigen Taktik „niedrigschwelliger Repression“.
Wir sind zutiefst erschüttert und wütend über die beispiellose, unverhältnismäßige und rechtswidrige Gewalt durch die deutsche Polizei. Diese Maßnahmen sind keine Einzelfälle. Sie spiegeln systematische Entscheidungen wider, die auf politischer Ebene getroffen wurden und Polizeigewalt mit Straflosigkeit belohnen. Wir machen insbesondere den Berliner Senat für Inneres verantwortlich, aber auch die Bundesregierung, die diese anhaltende Verletzung von Grundrechten ermöglicht.
Unsere Forderungen:
Sofortiges Ende der Polizeigewalt und volle Achtung der gesetzlichen Rechte der Demonstrierenden
Verbot der Anwendung von Schmerzgriffen und Würgetechniken durch die Polizei
Ende der Gewalt gegen Sicherheits- und Awareness-Teams von Demonstrationen
Garantierter Zugang für Journalist*innen zur Überwachung des Polizeiverhaltens und für medizinische Teams zur Versorgung von Verletzten
Eine internationale rechtliche und politische Untersuchung zur systematischen Polizeigewalt in Deutschland
Sofortige Suspendierung der Polizeikräfte, die für ungerechtfertigte und gewaltsame Übergriffe auf Demonstrierende verantwortlich sind
Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen.
Der Protest für ein freies Palästina wird auf den Straßen Berlins und weltweit weitergehen.
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In order to make the documentation of state repression and police violence during demonstrations easily accessible in one place, the following statement from the Arrest Press Unit and Palestinians and Allies (pallies) is also listed here on the PS website with permission from the Arrest Press Unit:
STATEMENT ON POLICE VIOLENCE AT THE "UNITED FOR GAZA" RALLY – JUNE 21, 2025, BERLIN
By the Arrest Press Unit and Palestinians and Allies (pallies)
Berlin, June 22, 2025
On June 21, 2025, a massive demonstration in solidarity with Palestine took place in Berlin. Tens of thousands of people flooded the streets, declaring loudly and clearly that solidarity with Palestine and resistance to Germany’s complicity in the genocide are stronger than ever—despite ongoing violent repression of dissent, which has already drawn serious concern from the Council of Europe’s Commissioner for Human Rights, Michael O’Flaherty, regarding restrictions on freedom of expression and peaceful assembly in Germany.
Even after 20 months of state violence and repression, the movement for a free Palestine and against the imperialist wars led by Israel and the United States continues to grow. On June 21, a major rally—estimated at 70,000 participants by organizers and 15,000 by police—marched through Berlin in defiance of the German government’s role in the ongoing genocide and ethnic cleansing in occupied Palestine.
The demonstration took place just hours before a U.S. airstrike targeted three Iranian nuclear sites—an act that escalates Israel's colonial war on Palestine into a broader imperialist conflict. Against this backdrop of global militarism and violence, the Berlin protest sent a resolute message: the people stand for peace, for Palestinian liberation, and against Germany’s role in enabling mass atrocities from Gaza to the broader Middle East.
Since October 2023, people across Germany have persistently mobilized, demanding an end to the government’s political and military support for the massacre of Palestinian civilians and the occupation of their land. After 20 months of genocide in Gaza, and amid the deepening war driven by Israeli and U.S. imperialism, the German state has responded not with accountability—but with brutal repression.
While People Demand Peace and Liberation, Germany Deepens Its Support for Genocide
While people across Europe demand peace and a free Palestine, the German government continues to lead the European bloc in unconditional support for Israel’s genocidal campaign. The Chancellor of Germany, Friedrich Merz, shamelessly welcomed Israel’s unilateral attack on Iran, thanking it for doing “the dirty work for us” and openly portraying Israel as the armed wing of Western imperialism.
At the same time, fractures within the EU are deepening. Spain has publicly called on the European Union to impose an arms embargo on Israel and has opposed NATO's demands to increase military spending. Meanwhile, Germany remains one of the few EU states still refusing to support sanctions or trade restrictions on Israel—putting itself increasingly at odds with its own constitutional principles and obligations under both European and international law.
Germany Condemned for Authoritarian Repression
In a letter to the German Federal Minister of the Interior, published on June 6, 2025, Council of Europe Commissioner Michael O’Flaherty expressed serious concerns about restrictions on freedom of expression and peaceful assembly for those protesting the war on Gaza. He also condemned reports of excessive police violence against demonstrators—including minors.
The Commissioner criticized the banning of protests, symbols, and slogans, and warned German authorities against distorting the definition of antisemitism to silence free expression and legitimate political dissent.
Police Brutality: Ongoing and Systematic
These concerns follow nearly two years of documented repression, including repeated assaults by German police on demonstrators—many of them minors—which we and other civil society groups, free speech organizations, and legal experts have consistently denounced.
One of the most egregious examples occurred during the Nakba demonstration on May 15, 2025, when 88 people were arrested, and 36 participants injured—including some who lost consciousness and were denied timely medical assistance. This event marked a clear escalation of unconstitutional violence by the German police.
Even as the EU Commissioner calls on Germany to refrain from discriminatory measures based on political beliefs, religion, ethnicity, or migration status, Berlin police continue to employ unlawful and violent tactics against peaceful demonstrators.
Police Respond to Peaceful Protest with Racist Arrests and Brutality
Despite public appeals for the protection of civil liberties, Berlin police responded to the June 21 protest with familiar repression:
40 people were arrested, the vast majority being racialized individuals and people with a migration background.
Many were arrested for displaying symbols like the red triangle, Palestinian flag-themed fist, or banners such as "Nein zum Völkermord" ("No to Genocide").
Police used painful restraint techniques, restricted breathing by covering noses and mouths, and threw people to the ground.
One protester was beaten by the police, choked by the neck, and struck in the face before being dragged by the police into a shop isolated from others, where he was fixated on the ground and lost consciousness. He was beaten on his head and suffered two seizures and bit his tongue. Paramedics were denied access for an extended period, and he was eventually hospitalized due to the severity of his injuries.
A member of the awareness and safety team was also violently arrested. He was punched and kicked on his upper body and legs, then fixated on the ground, where police continued to beat his head. Afterward, he was dragged by the police into a nearby shop, isolated from others. Paramedics were not allowed to enter and check on him for a prolonged period. Even a member of the German parliament, who is also a licensed paramedic, was denied access to the injured protester to assess his condition.
While most detainees were released shortly after the rally, five individuals were transferred to the detention center at Gefangenensammelstelle (GeSa).
Protesters carrying Israeli flags were allowed to infiltrate the rally under police protection, inciting tensions.
A man was detained for allegedly violating a demonstration ban—despite a recent court ruling affirming his right to protest. The German police increasingly misuse these bans to arbitrarily prevent participation in political gatherings.
While police brutally cracked down on pro-Palestine demonstrators, known neo-Nazis and far-right streamers roamed freely, harassing and provoking participants—without any police intervention.
Most arrests took place before and shortly after the official start and end of the demonstration. Police disrupted the protest area prematurely, creating confusion and provoking confrontations—a recurring pattern in their unconstitutional strategy of "low-intensity" repression.
We are alarmed and outraged by the unprecedented, disproportionate, and unlawful violence perpetrated by the German police. These actions are not isolated. They reflect systemic decisions made by the political leadership that allows and encourages police impunity. We hold the Berlin Senate for the Interior primarily accountable and also hold the federal government responsible for enabling this ongoing abuse of civil rights.
We Demand:
An immediate end to police violence and full respect for the legal rights of protesters
A ban on the use of pain grips and chokeholds by police
An end to violence against the demonstration's security and awareness teams
Guaranteed access for journalists to monitor police conduct and for medical teams to treat the injured
An international legal and political investigation into systemic police violence in Germany
Immediate suspension of police officers responsible for unjustified and violent actions against protesters
We will not be silenced.
The protest for a free Palestine will continue on the streets of Berlin and worldwide.