Statement zur Polizeigewalt auf der Demonstration “Palestinian blood is not worthless" am 19. Oktober 2024

Von der Arrest Press Unit, Palästina Spricht und PA-Allies

Berlin, 21. Oktober 2024

English version below  

Am 19. Oktober 2024 demonstrierten ca. 3500 Menschen in Berlin Charlottenburg in Solidarität  mit Palästina. Sie forderten einen sofortigen Stopp des andauernden Genozids an den Palästinenser:innen. 

Rippenbruch, Nasenbruch und Kopfverletzungen durch Polizeigewalt 

Nach erstem Kenntnisstand wurden 30 Versammlungsteilnehmende von der Polizei brutal festgenommen, darunter mindestens zwei Jugendliche und zwei achtzehnjährige Heranwachsende. Die  Polizei wandte wiederholt, unverhältnismäßig und damit ungerechtfertigt massive Gewalt gegen  die Protestierenden an. Durch die Polizeigewalt wurden mehrere Versammlungsteilnehmende verletzt: Einem jungen Mann wurde durch die Anwendung eines Schlagstocks die Rippe gebrochen.  Einer Person wurde von einem Polizisten durch Schlag ins Gesicht das Nasenbein gebrochen.  Mehrere festgenommene Versammlungsteilnehmende, darunter ein Sechszehnjähriger, wurden  von der Polizei geschlagen und so brutal zu Boden gebracht, dass sie blutende Kopfverletzungen  von sich trugen.  

Die Dokumentation der Festnahmen und Polizeigewalt wurde durch unser Doku-Team erstellt, das  die Demo begleitete. Die Dokumentation beruht auf Augenzeugenberichten, Aussagen der Festgenommen, sowie Video-, Audio- und Bildmaterial, das uns allesamt vorliegt.  

Die ersten Festnahmen von zwei Achtzehnjährigen Heranwachsenden erfolgten bereits vor Beginn der Demonstration. Die Polizei nahm beide ohne Ankündigung einer Maßnahme fest. Einer der  Achtzehnjährigen wurde in die Gefangenensammelstelle gebracht und sechs Stunden festgehalten.  

Polizeigewalt gegen Jugendliche und Heranwachsende 

Wir beobachten, dass die Polizei auch bei Jugendlichen und Heranwachsenden gewalttätig und  stark gesundheitsgefährdend vorgeht. In mehreren Fällen brachten Polizeibeamte Jugendliche und Heranwachsende brutal zu Boden, schlugen sie und führten sie unter Anwendung von  Schmerzgriffen ab. Mehrere Videos belegen: selbst wenn die Jugendlichen oder Zeug:innen die Polizisten darauf hinweisen, dass die Festgenommenen minderjährig sind, reagieren diese nicht  auf die Ansprache, sondern führen die Jugendlichen unter hoher Gewaltanwendung ab.  

Ein Sechszehnjähriger schildert seine Festnahme folgendermaßen: "Ich hatte eine Ordner-Weste an, dann kam ein Polizist zu mir und meinte, ich solle sie ausziehen. Ich habe gesagt, wieso? Er sagte zu mir, ich könne die Demo nicht wirklich organisieren und lasse die Menschen machen, was sie wollen. Dann kam ein Israeli und hat mir den Mittelfinger gezeigt. Ich bin zur Polizei gegangen und wollte eine Anzeige erstatten. Kommt auf einmal ein anderer Polizist und sagt: “Zieh die Ordner-Weste aus” und ich wollte sie nicht ausziehen und meinte zu ihm, ich ziehe sie nicht aus. Er hat versucht, sie von mir wegzuziehen und dann haben die mich festgenommen und mich zum Bluten gebracht."  

Einsatz von Polizeihunden gegen Verletzte und Sanitäter:innen  

Zudem ist festzuhalten, dass die Polizei während der Demonstration mehrmals eskalierte und  vollkommen willkürlich und ungerechtfertigt Gewalt gegen die Protestierenden anwandte. Die erste Eskalation der Polizei fand an der Schlüterstraße / Ecke Kantstraße statt, als die Protestieren den auf eine israelische Gegendemonstration trafen. Während die Teilnehmenden der israelischen Gegendemonstration die Palästina-solidarischen Protestierenden als "Nazis" beleidigten und ihnen den Mittelfinger zeigten, nahm die Polizei eine Anzeige von einem Teilnehmer gegen diese Beleidigung nicht auf. Stattdessen begann die Polizei willkürlich pro-palästinensische Demonstrierende festzunehmen. Nach Zeug:innenaussagen und auf mehreren Videos ist zu sehen, wie die  Polizeibeamten auf die Demonstrierenden einschlagen, sie boxen und treten. 

Die Demonstration wurde von der Polizei frühzeitig gegen den Willen der Veranstalter beendet an  der Joachimsthaler Straße Ecke Kurfürstendamm. Die Demonstrierenden wurden von mehreren Einsatzfahrzeugen und mindestens hundert Polizeibeamt:innen umzingelt. Die Polizei ging gegen die ehemaligen Versammlungsteilnehmenden mit voller Härte vor: Die Polizei drängte sie gewaltsam zurück, boxten sie und nahmen mehrere Personen fest. In mehreren Fällen schlugen Polizist:innen die Festgenommen, selbst wenn sie bereits fixiert auf dem Boden lagen. Schlussendlich setzte die Polizei Hunde gegen die ehemaligen Versammlungsteilnehmenden ein. Der Einsatz von Hunden gegen Palästina solidarische Proteste hat bereits im Oktober 2023, 12. Februar 2024, 25. Mai 2024, sowie am 20. Juni 2024 stattgefunden.  

Besonders besorgniserregend ist ein auf Video dokumentierter Fall: Ein Polizist lässt seinen Polizeihund auf ein Team von Sanitäter:innen los, das gerade eine verletzte Person medizinisch versorgte. Ein Sanitäter berichtet, dass er bereits von Weitem den sich nähernden Polizeibeamten  auf die sich am Boden befindende verletzte Person hinwies. Der Polizist ließ jedoch die Leine seines Hundes locker, so dass dieser die verletzte Person sowie die Sanitäterin, die sie gerade  versorgte, angriff. Der Sanitäter versuchte die verletzte Person und seine Kollegin zu schützen Der Polizist stieß den Sanitäter jedoch und ließ den Hund den Sanitäter anspringen. 

Polizeigewalt gegen Ordner:innen  

Nicht nur Sanitäter:innen waren von Polizeigewalt betroffen, sondern auch mehrere Ordner:innen und Journalist:innen. Eine Ordnerin wurde ins Gesicht geschlagen, ein weiterer wurde bei der  Festnahme am Kopf verletzt und blutete. Ein weiterer Ordner wurde so brutal von der Polizei festgenommen, dass er mit Schädel, - Thorax - und Hüftprellungen ins Krankenhaus gebracht werden musste.  

Ein Ordner berichtet:  

"Mehrere Ordner, darunter auch ich, wurden brutal zusammengeschlagen. In meinem Fall trat man mir mehrfach mit dem Knie in die Rippen, was mir die Luft abschnürte. Schließlich wurde ich zweimal gegen die Wand gestoßen, woraufhin ich zusammenbrach. Dies ist nicht das erste Mal, das ich in den letzten Monaten auf ähnliche Weise von der Polizei angegriffen wurde.”

   

Polizei verhindert Pressearbeit rassifizierter Journalist:innen 

Insbesondere rassifizierte Journalist:innen mit Presseausweis wurden mehrfach von der Polizei daran gehindert die Anwendung von Polizeigewalt gegen Protestierende zu dokumentieren. Wir erkennen in der Vorgangsweise der Polizei gegen rassifizierte, muslimisch, arabisch und palästinensisch gelesene Journalist:innen anti-muslimischen und anti-palästinensischen Rassismus.

Wir sind alarmiert, dass gerade die Personen, die für die Sicherheit der Demonstrierenden sorgen  sollen - Sanitäter:innen und Ordner:innen - von der Polizei angegriffen, gestoßen und geschlagen werden. 

Sexualisierte verbale und körperliche Übergriffe 

Zudem halten wir eine sexistische Beleidigung und einen sexualisierten Übergriff durch Polizeibeamte auf Versammlungsteilnehmende fest: Ein Polizeibeamter sagte zu einer jungen Frau: "Halt die Fresse, du Hure". Einem festgenommenen jungen Mann griffen mehrere Polizeibeamte in den Schritt, sowie an das Gesäß, wie ein Video belegt. 

Wir sind bestürzt über die ungerechtfertigte und rechtswidrige Polizeigewalt, die immer wieder  gegen Palästina-solidarische Versammlungsteilnehmende von der Berliner Polizei ausgeübt wird.  Erneut stellen wir fest, dass die Polizei den festgenommenen Versammlungsteilnehmenden ihre  Grundrechte als Protestierende verwehrt. Dies wird deutlich durch folgende Gewaltanwendungen: 

  • Schmerz- und Würgegriffe beim Abführ 

  • Verdecken von Nase, Augen und Mund bei der gewaltsamen Festnahme • Boxen und Treten in den Bauch und ins Gesicht  

  • Brutales Anlegen von Handschellen 

  • Fehlende Aufklärung der festgenommen Personen über ihre Rechte 

  • Unbegründetes mehrstündiges Festhalten von Jugendlichen und Heranwachsenden 

  • Bei Minderjährigen wurde kein Elternteil, Erziehungsberechtigte:r oder Vormund kontaktiert

  • Verhinderung von Kontakt zwischen festgenommenen Person und Augenzeug:innen zur Mitteilung persönlicher Daten 

  • Wegstoßen von Journalist:innen, die Polizeigewalt dokumentieren 

Wir sehen hier erneut, wie die Berliner Polizei grundlos, unverhältnismäßig und gegen bestehendes Recht mit starker Polizeigewalt versucht, eine Demonstration niederzuschlagen, anstatt das  Recht auf Versammlungsfreiheit zu schützen.  

Willkürliche Festnahmen und Racial Profiling

Auf dem Heimweg nahm die Polizei mehrere ehemalige Versammlungsteilnehmende am Hermannplatz fest und brachte sie in die Gefangenensammelstelle. Diese willkürlichen Festnahmen  zeugen von Racial Profiling und einer gezielten Verfolgung der Polizei von rassifizierten Jugendlichen und Heranwachsenden.

Die Polizeigewalt, die systematischen Festnahmen gerade von jungen Palästinenser:innen, oft mit  Fluchtgeschichte aus Gaza, und anderen rassifizierten Versammlungsteilnehmer:innen muss gestoppt werden. Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit gilt für alle Menschen.

Wir fordern: 

  • Stopp der Polizeigewalt gegen alle Versammlungsteilnehmende 

  • Stopp des Einsatzes von Schmerzgriffen

  • Stopp des Einsatzes von Polizeihunden gegen Demonstrierende 

  • Schutz von Ordner:innen, Sanitäter:innen und Journalist:innen 

  • eine sofortige unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt  

  • Suspendierung der gewaltausübenden Polizeibeamt:innen 

  • eine juristische Aufarbeitung der Polizeigewalt gegen Versammlungsteilnehmende

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English version

Statement on police violence at the demonstration  ‘Palestinian blood is not worthless’ on 19 October 2024

By the Arrest Press Unit, Palestine Speaks and PA-Allies  

Berlin, 21 October 2024

On 19 October 2024, around 3500 people demonstrated in Berlin Charlottenburg in solidarity with  Palestine. They demanded an immediate stop to the ongoing genocide against Palestinians.

 

Police beats in the crowd: broken bones, broken nose and head injuries among the peaceful demonstrators 

According to initial reports, 30 people at the gathering were brutally arrested by police, including  at least two minors and several eighteen-year-old adolescents. Police repeatedly used disproportionate and unjustified force against the protesters. Several people at the demonstration were injured as a result of police violence: A young man had a rib broken by a police baton. A police officer broke the nose of one person by hitting them in the face. Several arrested demonstrators, including a sixteen-year-old, were beaten by the police and knocked to the ground so violently that they suffered bleeding head injuries.

The documentation of the arrests and police violence was prepared by our documentation team  which accompanied the demonstration. The documentation is based on eyewitness reports,  statements by those arrested, as well as video, audio and image material, all of which is available  to us. 

Unjustified detention and violence against minors and adolescent 

The first two arrests of two eighteen-year-olds took place before the demonstration even began. The police arrested both of them without announcing any action. One of the eighteen-year-olds  was taken to the detention centre and held for six hours.  

We have observed that the police also act violently and in a manner that seriously endangers the  health of young people and adolescents. In several cases, police officers brutally knocked youth and adolescents to the ground, beat them and arrested them using painful holds. Several videos  show that even when the youths or witnesses point out to the police officers that the arrest persons are minors, the police officers do not react to the remark, but instead arrest the youth using a high degree of force. 

A sixteen-year-old describes his arrest as follows: 

"I was wearing a security vest when a policeman came up to me and told me to take it off. I said why? He said to me that I couldn't organise the demonstration and just let people do whatever they want. Then an Israeli came up and showed me his middle finger. I went to the police and wanted to file a complaint. All of a sudden another policeman came and said, ‘Take off your vest’ and I didn't want to take it off and told him I wouldn't take it off. He tried to pull it away from me and then they arrested me and caused me to bleed."  

Demonstrators threatened with police dogs, including injured and paramedics 

It should also be noted that the police escalated several times during the demonstration and used  violence against the protesters in a completely arbitrary and unjustified manner. The first escalation by the police took place at the corner of Schlüterstraße and Kantstraße when the protest encountered an Israeli counter-demonstration. While the participants of the Israeli counter-de monstration insulted the protesters in solidarity with Palestine as 'Nazis' and showed them the  middle finger, the police refused to take a formal complain for insult by a participant. Instead, th police began arbitrarily arresting pro-Palestinian demonstrators. According to witness statements  and on several videos, police officers can be seen hitting, boxing and kicking demonstrators.

The demonstration was ended prematurely by the police against the will of the organisers at Joachimsthaler Straße / Kurfürstendamm. The demonstrators were surrounded by several police vehicles and at least a hundred police officers. The police took full force against the participants violently pushing them back, punching and hitting them, and arresting several people. In several  cases, police officers went on beating those they had arrested, even after having them already handcuffed on the ground. Finally, the police used dogs against the former demonstrators. The use of dogs against Palestine solidarity protests has already taken place in October 2023, 12 February 2024, 25 May 2024, and 20 June 2024. 

One case, documented on video, is particularly alarming: a police officer lets his police dog loose on a team of paramedics who were providing medical care to an injured person. One paramedic  reports that he had already signaled from a distance that there is an injured person on the ground to the police officer approaching. However, the police officer loosened his dog's leash, so that it attacked the injured person as well as another paramedic who was treating the injured at that very moment.  He tried to protect the injured person and the colleague. The police officer pushed him away a let the dog jump on the paramedic colleague. 

Police violence against stewards  

Not only paramedics were affected by police violence, but also several stewards and journalists. One steward was punched in the face, another was injured in the head during the arrest and was  bleeding. Another steward was arrested so brutally by the police that he had to be taken to hospital with bruises to his skull, thorax and hip. 

One steward reports: „Several stewards including myself, were brutally beaten up. In my case, I was kicked multiple times in the ribs, which cut off my air supply. Finally, I was pushed twice against the wall, whereupon I collapsed. This is not the first time that I have been attacked in a similar way by the police in recent months.”

Police prevent press work by racialized journalists 

In particular, racially profiled journalists with press cards were repeatedly prevented by the police from documenting the use of police force against protesters. We recognize anti-Muslim and anti Palestinian racism in the actions of the police against racialized, Muslim, Arab and Palestinian  journalists. We are alarmed that the very people who are supposed to ensure the safety of the  demonstrators – paramedics and stewards – are being attacked, pushed and beaten by the police. 

Sexual verbal and physical assaults 

In addition, we have documented a sexist insult and a sexual assault by police officers on demonstrators: a police officer said to a young woman, "Shut up, you whore!”

A young man who was arrested was groped in the crotch and on the buttocks by several police  officers, as a video shows.

We are dismayed by the unjustified and disproportionate police violence that is repeatedly used by the Berlin police against demonstrators showing solidarity with Palestine. Once again, we note  that the police deny the arrested participants in the meeting their fundamental rights as protesters. This becomes clear through the following use of force: 

  • pain and strangleholds during the arrest 

  • covering of the nose, eyes and mouth during the violent arrest 

  • kicking and punching in the stomach and face 

  • brutal application of handcuf 

  • failure to inform the arrested persons of their rights 

  • unfounded detention of minors and adolescents for several hours 

  • in the case of minors, no parent, legal guardian or custodian was contacted

  • Preventing contact between the arrested person and witnesses to provide personal information 

  • Pushing away journalists who document police violence.

We see here once again how the Berlin police use disproportionate and excessive force to try to  break up a demonstration instead of protecting the right to freedom of assembly. 

Arbitrary arrests and racial profiling 

On the way home, several former participants in the assembly were arrested at Herrmannplatz  and taken to the detention centre. These arbitrary arrests are an example of racial profiling and  targeted persecution by the police of racialised youth and young adults. 

The police violence, the systematic arrests of young Palestinians in particular, often with stories of  fleeing from Gaza, and other racialised assembly participants must be stopped. Freedom of assembly and freedom of expression apply to all people.

We demand: 

  • Stop the police violence against all demonstrators 

  • Stop the use of pain grips 

  • Stop the use of police dogs against demonstrators 

  • Protection of ordners, paramedics and journalists 

  • An immediate independent investigation into police violence 

  • Suspension of the police officers involved in the viole 

  • A legal investigation into police violence against demonstrators

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Statement zur Polizeigewalt auf der Demonstration"Von 1917 bis heute kein Frieden durch Landraub. Freiheit für Palästina!"am 2. November 2024

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Statement zur Polizeigewalt auf der Demonstration"Palestine resists. It started long before October 7th” am 06. Oktober 2024 in Berlin