Statement zur Polizeigewalt auf der Demonstration “Solidarität mit Palästina. Stoppt den Genozid. Keine Waffen für Israel” am 14. September 2024

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English Version below

Von Palästina Spricht und PA-Allies

Berlin, 15. September 2024

Am 14. September 2024 demonstrierten ca. 1500 Menschen in Berlin Kreuzberg in Solidarität mit Palästina. Sie forderten einen Stopp der deutschen Waffenlieferungen und des andauernden Genozids. Nach erstem Kenntnisstand wurden sechs Versammlungsteilnehmende brutal von der Polizei festgenommen, darunter ein Achtzehnjähriger, sowie ein fünfzehnjähriger Jugendlicher.

Bei der Festnahme des Achtzehnjährigen ging die Polizei besonders brutal und gesundheitsgefährdend vor. Nach Augenzeugenberichten und zufolge mehrerer Videoaufnahmen stürmte die Polizei die Demonstration ohne Vorankündigung. Auf mehreren Videoaufnahmen ist zu sehen, wie mehr als ein Dutzend Polizeibeamt:innen in die Menschenmenge rannten, sich auf den Achtzehnjährigen stürzten und ihn zu Boden brachten. Ein Zeuge berichtet, dass die Polizeibeamt:innen mehrmals auf den Jungen einschlugen. Der junge Mann schlug mit dem Kopf auf die Straße, sodass er stark am Kopf blutete.

Polizeigewalt auf Demo in Berlin 14.09.2024. Photo credit @trifulkart

Anstatt dem Verletzten sofort Erste Hilfe zu leisten, trugen die Polizeibeamt:innen den bewusstlosen Verletzten an Armen und Beinen ca. 90m in eine Seitenstraße, legten ihn auf den Rücken und setzten ihm Schmerzreize. Die Sanitäter:innen des RTW erreichten den Verletzten erst nach 20 Minuten. Trotz mehrmaliger Ansprache ließen die Polizeibeamt:innen keine:n Übersetzer:in zu dem Verletzten durch. Nachdem der junge Mann sein Bewusstsein wieder erlangt hatte, schrie er vor Schmerzen, die Polizei kesselte ihn weiterhin ein. Auch als der Rettungswagen eintraf, durfte kein:e Übersetzer:in den Verletzten ins Krankenhaus begleiten.

Wir halten fest: Die Polizei hat hier zwar den Versuch unternommen, Erste Hilfe zu leisten, allerdings haben sie dabei die Gesundheit der verletzten Person gefährdet. Der Verletzte hätte direkt vor Ort versorgt werden müssen, denn es handelte sich nicht um einen gefährlichen Behandlungsort. Nach einem Sturz oder einer Gewalteinwirkung auf Kopf, Nacken oder Wirbelsäulenbereich sollte eine verletzte Person nicht bewegt werden. Ganz im Gegenteil sollte der Kopf gestützt und die Person dazu aufgerufen werden, in ruhiger Position liegen zu bleiben. Alles andere kann zu schweren bleibenden Schäden führen, z.B. Lähmungen. Auch kann dies zu einer Verschlechterung des Zustandes der Person beitragen.

Wenn die Person nicht bei Bewusstsein ist, sollte sofort ihre Atmung überprüft werden. Ist diese vorhanden, wird die Person in die stabile Seitenlage gelegt. Ist dies nicht der Fall, wird unverzüglich mit einer Reanimation begonnen.  In beiden Fällen ist ein so achtloses Wegtragen nicht nötig und verzögert die richtige Behandlung.

Akute Gesundheitsgefährdung durch die Polizei

Polizeigewalt auf Demo in Berlin 14.09.2024. Photo credit @trifulkart

Die brutale Festnahme des Achtzehnjährigen ist nicht der erste Fall, der zeigt, dass die Polizeibeamt:innen nicht nur nicht ausgebildet sind für medizinische Notfälle, sondern es auch an grundlegendem Wissen zu Erster Hilfe fehlt. Mehrere Zeugi:nnen berichten: Auch wenn die Polizeibeamt:innen über Vorerkrankungen und auch über psychische Ausnahmezustände der Versammlungsteilnehmenden informiert werden, wenden sie unnötige Gewalt gegen die festgenommenen Personen an.


Rassismus im Gesundheitssystem

Wir beobachten zudem, dass die verletzten rassifizierten Versammlungsteilnehmer:innen mit Fluchtgeschichte aus Gaza, rassistische Erfahrungen in den Rettungsstellen, beim Krankenhausaufenthalt und auch in der Gewaltschutzambulanz der Charité machen.

Wir sind bestürzt über die ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Polizeigewalt, die immer wieder gegen Palästina solidarische Versammlungsteilnehmende von der Berliner Polizei ausgeübt wird. Und wir sind alarmiert von der fahrlässige Erstversorgung des Verletzten. Das Vorgehen der Polizei und der unprofessionelle Umgang mit verletzten Versammlungsteilnehmenden ist potenziell lebensgefährlich und kann zu schweren bleibenden Schäden führen.

Erneut stellen wir fest, dass die Polizei den festgenommenen Versammlungsteilnehmenden ihre Grundrechte als Protestierende verwehrt. Dies wird deutlich durch folgende Gewaltanwendungen:

Polizeigewalt auf Demo in Berlin 14.09.2024. Photo credit @trifulkart

  • Schmerz- und Würgegriffe beim Abführen

  • Verdecken von Nase, Augen und Mund bei der gewaltsamen Festnahme

  • Boxen in den Bauch und ins Gesicht

  • Brutales Anlegen von Handschellen

  • Fehlende Aufklärung der festgenommen Personen über ihre Rechte

  • Unbegründetes Festhalten von Minderjährigen

  • Bei Minderjährigen wurde kein Elternteil oder Erziehungsberechtigte:r kontaktiert

  • Verhinderung von Kontakt zwischen festgenommener Person und Zeug:innen / Übersetzer:innen / Anwält:innen zur Mitteilung persönlicher Daten

  • Gesundheitsgefährdende Erste Hilfe Leistung durch die Polizei

Wir sehen hier erneut, wie die Berliner Polizei grundlos, unverhältnismäßig und außerhalb jeglichen Rechts mit starker Polizeigewalt versucht eine Kundgebung niederzuschlagen anstatt das Recht auf Versammlungsfreiheit zu gewähren. 

Polizeigewalt muss gestoppt werden

Die Polizeigewalt, die systematischen Festnahmen gerade von jungen Palästinenser:innen oft mit Fluchtgechichte aus Gaza, muss gestoppt werden. Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit müssen für alle Menschen gelten. 

Wir fordern unabhängige Sanitäter:innen auf den Demonstrationen, sowie  eine sofortige unabhängige Untersuchung der Polizeigewalt und eine Suspendierung der Gewalt ausübenden Polizeibeamt:innen.

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English version

Statement on police violence at the demonstration "Solidarity with Palestine. 

Stop the genocide. No weapons for Israel." on September 14, 2024. 

From Palestine Speaks and PA Allies 

Berlin, September 15, 2024 


On September 14, 2024, around 1500 people demonstrated in Berlin Kreuzberg in solidarity with Palestine. They demanded a stop of German weapons deliveries and the ongoing genocide. According to initial information, six participants in the demonstration were brutally arrested by the police, including an eighteen-year-old and a fifteen-year-old boy.

Polizeigewalt Demo Berlin 14.09.2024

Police violence at protest in Berlin on 14.09.2024. Photo credit @trifulkart

During the arrest of the eighteen-year-old, the police acted in a particularly brutal and health-threatening manner. According to eyewitness reports and several video recordings, the police stormed the demonstration without prior notice. Several video recordings show how more than a dozen police officers ran into the crowd, pounced on the eighteen-year-old, and brought him to the ground. A witness reported that the police officers hit the boy several times. The young man hit his head on the street, causing his head to bleed profusely. 

Instead of immediately giving the injured man first aid, the police officers carried the unconscious injured man by his arms and legs about 90 meters into a side street, laid him on his back, and put him in further pain. The paramedics from the ambulance only reached the injured man after 20 minutes. Despite being approached several times, the police officers did not let any translators through to the injured man. After the young man regained consciousness, he screamed in pain and the police continued to restrain him. Even when the ambulance arrived, no translator was allowed to accompany the injured man to the hospital. 

We hold firm: Although the police attempted to provide first aid, they endangered the health of the injured person. The injured person should have been treated directly on-site, as it was not a dangerous treatment location. An injured person should not be moved after a fall or if force has been applied to the head, neck, or spine. On the contrary, the head should be supported and the person should be asked to lie still. Anything else can lead to serious permanent damage, e.g. paralysis. It can also contribute to a worsening of the person's condition. 

If the person is not conscious, their breathing should be checked immediately. If they are breathing, the person should be placed in the recovery position. If this is not the case, resuscitation should be started immediately. In both cases, such careless carrying away is not necessary and delays the correct treatment. 

Acute health endangerment due to the police

Polizei schlägt Demonstrant bewusstlos.

Police violence at protest in Berlin on 14.09.2024. Photo credit @trifulkart

The brutal arrest of the eighteen-year-old is not the first case that shows that police officers are not only not trained for medical emergencies, but also lack basic first aid knowledge. Several witnesses report this: Even if the police officers are informed about pre-existing conditions and also about the exceptional mental states of the assembly participants, they still use unnecessary force against the arrested persons. 

Racism in the healthcare system 

We also observe that the injured racialized assembly participants with a history of fleeing from Gaza have racist experiences in the emergency services, during hospital stays, and also in the Charité outpatient clinic for protection against violence. 

We are upset by the unjustified and disproportionate police violence that is repeatedly used by the Berlin police against Palestine solidarity rally participants. And we are alarmed by the negligent initial treatment of the injured person. The actions of the police and the unprofessional handling of injured assembly participants are potentially life-threatening and can lead to serious permanent damage.

Once again, we hold firm that the police are denying the arrested assembly participants their basic rights as protesters. This is made clear by the following uses of force: 

  • Pain and chokeholds during removal 

  • Covering of nose, eyes, and mouth during violent arrest 

  • Boxing in the stomach and face 

  • Brutal application of handcuffs 

  • Failure to inform arrested persons of their rights 

  • Unjustified detention of minors 

  • In the case of minors, no parent or guardian was contacted 

  • Prevention of contact between arrested person and witnesses/translators/lawyers to communicate personal data 

  • Health-endangering first aid by the police 

We see here once again how the Berlin police are trying to suppress a rally with strong police force without reason, disproportionately, and outside of any law instead of granting the right to freedom of assembly. 

Police violence must be stopped 

Police violence, the systematic arrests of young Palestinians in particular, often with a history of fleeing from Gaza, must be stopped. Freedom of assembly and freedom of expression must apply to all people. 


We demand independent paramedics during the demonstrations, an immediate independent investigation into the police violence, and the suspension of the police officers perpetrating the violence.

Protestors in Berlin 14.09.2024. Photo credit @trifulkart

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Statement zur Polizeigewalt auf der Demonstration “Solidarität mit Palästina. Stoppt den Genozid. Keine Waffen für Israel” am 21. September 2024

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Statement zur Polizeigewalt  auf der Demonstration “Palestinian liberation is an indigenous struggle” am 17. August 2024