Nakba-Frieden: Israels Forderung nach einer Ausnahme vom Verbot des Genozids

Nach de Entscheidung des IGH (Internationaler Gerichtshof), dass es plausibel ist, dass Israel einen Genozid begeht, hat der israelische Premierminister Netanyahu seine Ablehnung der internationalen Rechtsprechung bekräftigt [1] und darauf bestanden, dass Israel „ein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung“ habe [2]. Netanyahus Ansprüche sind nicht nur die Demonstration eines einzelnen, Schurkenstaates. Im Gegenteil, Israel, zusammen mit seinen westlichen Verbündeten, fordert eine Ausnahme vom Verbot des Genozids, um die zionistische Siedlerherrschaft mit allen notwendigen Mitteln zu verteidigen und zu festigen. Israel verfolgt einen 'Nakba-Frieden', die Etablierung von Sicherheit durch die Entfernung der einheimischen Palästinenser:innen, die durch ihre bloße Existenz und ihre Weigerung zu verschwinden, die zionistische Siedlerherrschaft herausfordern. In den Worten des ehemaligen Shin Bet-Direktors und Mitglieds des Nationalen Sicherheitsrats, Avi Dichter: „Wir starten jetzt eine Gaza-Nakba, Gaza-Nakba 2023, so wird es enden“ [3].

Die Forderung nach einer Ausnahme hat eine rechtliche Grundlage. Indem behauptet wird, dass eine Situation sui generis ist, oder anders als jede andere, argumentiert der Kläger, dass keine bestehende rechtliche Präzedenz oder Analogie die Situation angemessen beheben kann. Ein solches einzigartiges Faktorenmuster gibt dem Kläger, so argumentiert er, die Autorität, neues Recht zu schaffen, wo, seiner Meinung nach, kein geeigneter Rahmen vorhanden ist. Diese Forderung nach einer Ausnahme kennzeichnet Israels Verhältnis zum Recht [4] historisch und in der Gegenwart.

Schon vor der Gründung des Staates im Jahr 1948 war Palästina ein Ort der rechtlichen Ausnahme. Als Großbritannien Palästina 1917 in der Balfour-Erklärung als Ort für europäische jüdische Besiedlung bestimmte und es später 1922 in das Völkerbundsmandat für Palästina aufnahm, klassifizierte es das Mandat als sui generis. Anders als bei anderen Klasse-A-Mandaten oder den ehemaligen Gebieten des Osmanischen Reiches, wo Mandatsmächte die Pflicht hatten, die einheimischen Bevölkerungen zur Selbstbestimmung zu führen, schuf die Britische Mandatsmacht, durch ihre eigenen gesetzgeberischen Bemühungen, im Mandat für Palästina eine Pflicht, eine jüdische Heimstätte zu errichten. Diese Ausnahme ermöglichte es Großbritannien, seiner Pflicht gemäß Artikel 20 des Pakts des Völkerbunds zu entkommen, der besagt, dass die Mandatsmacht keine Verpflichtungen eingehen darf, die „mit den Bestimmungen dieses Pakts unvereinbar sind“. Dies führte zur Untergrabung des Willens der einheimischen Bevölkerung und zur Ablehnung der Schaffung einer repräsentativen embryonalen Regierung, aus Angst, dass sie die zionistische Politik Großbritanniens ablehnen würde. Die britische Regierung und später das UN-Sonderkomitee für Palästina rechtfertigten diese Verstöße aufgrund der sui-generis-Natur des Völkerbundmandats für Palästina.

Heute besteht die Forderung nach einer Ausnahme vom Verbot der Zerstörung eines Volkes, ganz oder teilweise, um Israel ohne externe Regulierung zu erlauben, was es für seine Selbstverteidigung für notwendig erachtet, auf der Basis der Einzigartigkeit seiner tatsächlichen Umstände.

Sui Generis: Israels historische Anwendung rechtlicher Ausnahmen zur Förderung seiner siedler-kolonialen Ambitionen

Rechtlich gesehen hat Israel kein Recht auf Selbstverteidigung gegen ein von ihm besetztes Gebiet [5]. Dieses Verbot wurde vom IGH in seinem Rechtsgutachten von 2004 [6] bestätigt, in dem erklärt wurde, dass ein „bewaffneter Angriff“, der Artikel 51 auslösen würde, einem souveränen Staat zuzurechnen sein muss. Im Falle der Palästinensischen Gebiete hat Israel diese Souveränität usurpiert und hat die Pflicht und Verantwortung, die Zivilbevölkerung unter seiner Besatzung zu schützen, bis die Souveränität wiederhergestellt ist. Das bedeutet, dass Unsicherheit und Störung im Besetzten Gebiet auf die Besatzungsmacht selbst zurückzuführen sind, anstatt auf einen ausländischen Staat, und das angemessene Maß an Gewalt in dieser Situation wird durch die Strafverfolgungsbehörden und nicht durch militärische Autorität geregelt.


Da Israel jedoch das palästinensische Land ohne seine Bevölkerung wünscht, hat es darauf bestanden, dass in der Westbank und im Gazastreifen im Jahr 1967 kein souveräner Staat existierte. Ägypten habe keinen Anspruch auf den Gazastreifen erhoben, außer Großbritannien und Pakistan habe niemand die Ansprüche Jordaniens auf die Westbank anerkannt, und die Palästinenser:innen als juristische Person - oder politische Gemeinschaft - existieren nicht, wodurch Israels Ansprüche auf Souveränität genauso gültig sind wie die anderer. Daher ist das Gebiet umstritten und nicht besetzt, was Israel von der Pflicht entbindet, die Bestimmungen des Besatzungsrechts als Rechtsangelegenheit einzuhalten, wodurch es auch von der Pflicht entbunden ist, den rechtlichen, politischen und territorialen Status Quo aufrechtzuerhalten - einschließlich des Verbots von zivilen Siedlungen. In diesem Fall behauptet Israel, dass die Westbank und der Gazastreifen sui generis [7] sind, und anders als andere besetzte Gebiete.


Unter diesem außergewöhnlichen Rahmen wechselte Israel zu Beginn der Zweiten Intifada von einem Besatzungsmodell zu einem Kriegsmodell [8]. Seine Militärjuristen erklärten, dass der palästinensische Aufstand mehr als eine zivile Störung sei, die von Strafverfolgungsbehörden geregelt wird, aber nicht einem bewaffneten Konflikt gleichkommt - entweder gegen einen aufstrebenden souveränen Staat (IAC [international armed conflict]) oder gegen eine lokale Bevölkerung unter seiner Zuständigkeit, die einem Bürgerkrieg gleichkommt (NIAC [non-international armed conflict]). Stattdessen behauptete Israel, dass es einer beispiellosen Herausforderung gegenüberstand, die es als „bewaffneter Konflikt unterhalb des Krieges“ bezeichnete, um neues Recht zu schaffen, wobei es darauf bestand, dass keine angemessene Analogie oder Präzedenzfall existiert. Unter diesem sui generis Rahmen behauptete Israel, dass es sowohl die polizeiliche Autorität der Zivilbevölkerung unter seiner Besatzung usurpieren könne (durch administrative Inhaftierung, Ausgangssperren, Beschränkungen der Bewegung, kollektive Bestrafung, Einschränkungen der Rede und Versammlung) und gleichzeitig tödliche Gewalt gegen diese Bevölkerung einsetzen könne (durch außergerichtliche Erschießungen, Luftangriffe), wobei die Palästinenser:innen nicht zurückschlagen könnten. Jegliche Anwendung von Gewalt durch die Palästinenser:innen, egal ob gegen militärische oder zivile Ziele, wird vom Staat als terroristisch und kriminell betrachtet.


Nach dem einseitigen Rückzug Israels aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 - als es 9.000 Siedler:innen und die militärische Infrastruktur der Siedlungen entfernte - erklärte Israel erneut eine Ausnahme im Recht. Der Gazastreifen sei sui generis - weil er nicht unabhängig war, also das Recht hatte, eine eigene Armee, die Kontrolle über seine Grenzen, seine Ressourcen und seinen Handel zu haben - aber auch nicht besetzt war. Israel erklärte, dass der Gazastreifen eine neue und beispiellose Kategorie sei, die in Recht und Gesetz keine Analogie oder Präzedenz habe: Er sei ein „feindliches Objekt”. [9] Bemerkenswerterweise kam das Internationale Strafgericht in seinem Diktum von 2014 zu dem Schluss, dass Israel aufgrund seiner Kontrolle über den Luftraum des Gazastreifens, den Seeraum, die elektromagnetische Sphäre, das Bevölkerungsregister und alle Ein- und Ausgangspunkte für Waren und Menschen weiterhin „effektive Kontrolle“ über den Gazastreifen hatte und somit die Besatzungsmacht war. [10]

 

Israel verfolgt einen Nakba-Frieden

Als Besatzungsmacht hat Israel nach dem Gesetz kein Recht zur Selbstverteidigung, um in Gaza Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen, hat jedoch das Recht, andere Mittel im Rahmen des Völkerrechts zu verwenden, um dies zu tun. Die Behauptung, dass es militärische Gewalt einsetzen kann, um auf von den Palästinenser:innen in Gaza ausgehende Bedrohungen zu reagieren, kommt einer Behauptung gleich, ein Recht zur Anwendung von Gewalt zum Schutz seiner kolonialen Gebiete zu haben. Israel erhebt nicht nur heute, wie seit den frühen 2000er Jahren, diesen Anspruch, sondern strebt auch eine neue Ausnahme im Völkerrecht an, die den Genozid als notwendig zur Selbstverteidigung betrachtet.


Israel besteht darauf, dass seine Sicherheitsherausforderung in Gaza, verkörpert durch die Fähigkeit der Hamas, selbstgemachte Raketen abzufeuern und in jüngster Zeit, den militarisierten Umkreis zu durchdringen, um eine Operation zur Gefangennahme von Soldat:innen und Entführung von Geiseln durchzuführen – letzteres im Widerspruch zum Kriegsrecht –, einzigartig ist. Darüber hinaus macht die Beschaffenheit Gazas als städtisches Gebiet mit hoher Bevölkerungsdichte und unterirdischen Tunneln, die für militärische Operationen genutzt werden, den Kampf gegen die Hamas zu etwas noch nie Dagewesenem und notwendigerweise unverhältnismäßig und wahllos. 


Dies ist jedoch keineswegs einzigartig. Die meisten bewaffneten Konflikte seit dem Zweiten Weltkrieg waren nicht konventionell, zwischen zwei souveränen Staaten, sondern vielmehr zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren. Im Jahr 1977 konkretisierte die internationale Gemeinschaft den Gemeinsamen Artikel 3 der Genfer Konventionen (1949) [11], um genau dieser Art von irregulären Kämpfen Rechnung zu tragen. Diese Gesetze sind in den Ersten und Zweiten Zusatzprotokollen [12] verankert und regeln irreguläre Kriegsführung in städtischen Gebieten mit dichter Bevölkerung und als Soldat:innen anerkannten Guerillakämpfer:innen, die das Recht haben zu kämpfen. Die Konfrontation Israels mit der Hamas ist bei weitem nicht beispiellos. Bemerkenswerterweise sind Israel und die Vereinigten Staaten herausragende Gegner dieser Zusatzprotokolle und lehnen somit die Legitimität anti-kolonialer Kriegsführung ab, sei es durch die Palästinenser:innen heute oder die SWAPO, den Viet Cong oder den ANC historisch betrachtet.


Selbst ohne diese „roten Linien“ [13] ist Israel in seinem Krieg über die letzten vier Monaten und andauernd seinen erklärten militärischen Zielen nicht näher gekommen. Israel hat erklärt, dass es 1) seine gefangenen Soldaten befreien und seine zivilen Geiseln zurückholen will, 2) die palästinensische Bevölkerung zur Rebellion gegen die Hamas in Rebellion zu bringen und 3) die Hamas zu dezimieren. Israel hat seine israelischen Soldaten oder seine Geiseln nicht durch seinen militärischen Kampf befreit. Tatsächlich war die einzige Möglichkeit, dies zu tun, durch diplomatische Verhandlungen [14], und sein militärischer Kampf hat dieses Ziel nicht erreicht.

Der Plan die palästinensischen Bevölkerung gegen die Hamas aufzuwiegeln ist nicht nur gescheitert, stattdessen ist die Popularität der Hamas [15] unter den Palästinenser:innen, in der arabischen Welt und laut US-Geheimdiensten weltweit gestiegen. Und hinsichtlich der Dezimierung der Hamas: die Hamas feuert nicht nur weiterhin Raketen aus dem Zentrum von Gaza Stadt, was darauf hinweist, dass ihre Fähigkeit nicht eingeschränkt wurde, sondern laut Militärberichten wurden nur 20-30 Prozent der Hamas-Kämpfer getötet. [16]

Dennoch hat Israel das Äquivalent von zwei Atombomben abgeworfen, 1,9 Millionen Palästinenser:innen vertrieben, alle Universitäten und Krankenhäuser im Gazastreifen, 247 Moscheen, 3 Kirchen, 199 Kulturdenkmäler, 1.690 Fabriken zerstört, 16 Friedhöfe planiert und 70 Prozent aller Wohnanlagen ganz oder teilweise zerstört, 27.000 Palästinenser:innen getötet, 40 Prozent von ihnen Kinder, hat aber dennoch nicht einmal annähernd seine erklärten militärischen Ziele erreicht. Das sollte zumindest die Vermutung nahelegen, dass Israel ein anderes, weniger explizites militärisches Ziel verfolgt.

Israel versucht, den Gazastreifen zu entvölkern und ihn danach, im Namen der Sicherheit,  wieder zu besiedeln. Es kann weder die Hamas noch jede andere bestehende, latente oder potenzielle Manifestation des palästinensischen Widerstands gegen seine rassistisch-koloniale Vorherrschaft militärisch zerstören [17]. Stattdessen versucht es, alle Palästinenser:innen durch ein ethnisches Säuberungsprogramm zu vertreiben, das durch eine völkermörderische Kampagne erreicht wird. Israel führt „Massenmorde an Palästinensern in Gaza durch, fügt ihnen schwere körperliche oder geistige Schäden zu, schafft Bedingungen, die auf ihre Vernichtung abzielen, und ergreift Maßnahmen, die darauf abzielen, Geburten unter ihnen zu verhindern“ [18]. Dies sind Handlungen, die, wenn sie mit der Absicht begangen werden, ein Volk ganz oder teilweise zu vernichten, einem Völkermord gleichkommen, mit dem Ziel, es komplett auszulöscchen. Am 26. Januar 2024 kam der IGH zu dem Schluss, dass Israel tatsächlich einen Genozid begeht [19]. Israel verfolgt seine langfristigen Sicherheitsziele durch die Vertreibung der Palästinenser:innen und die Wiederbesiedlung ihres Landes. Diesen verwirrenden Rahmen beschreibe ich als Nakba-Frieden.

Der Vorläufer dieses israelischen Nakba-Frieden fand zwischen 1947 und 1949 statt, als zionistische Milizen und später die konventionelle Armee Israels im Namen einer Verteidigungsoperation Militäreinsätze gegen palästinensische Zivilist:innen und palästinensische Dörfer durchführten. Im Plan Dalet, einem Plan, der die Zerstörung von Dörfern vorsieht, steht:

„Insbesondere in schwer zu kontrollierenden Ballungsgebieten werden laufend Operationen durchgeführt, durchkämmt und kontrolliert, mit folgenden Richtlinien: Einkreisung des Dorfes und Durchführung einer Durchsuchung innerhalb des Dorfes, im Falle von Widerstand müssen die Streitkräfte vernichtet werden, die Bevölkerung soll außerhalb der Staatsgrenzen vertrieben werden.“ [20]

Die Nakba führte zur Vertreibung von 750.000 Palästinenser:innen und zur umfassenden und fortlaufenden Beschlagnahmung ihres Landes, ihrer Häuser und ihrer Besitztümer.

Die Dreistigkeit der aktuellen Politik Israels beruht auf der Normalisierung der Nakba von 1948. Die internationale Gemeinschaft normalisierte die Nakba [21] und akzeptierte Israels Anspruch auf rechtliche Ausnahme vom etablierten Recht. Die neu gegründeten Vereinten Nationen hatten die Möglichkeit, die UN-Mitgliedschaft Israels von der Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge abhängig zu machen, taten dies jedoch nicht. Die internationale Gemeinschaft behandelte „den neuen Staat Israel als vollendete Tatsache, obwohl er in klaren Verstößen gegen die Bestimmungen der Resolution 181(II)“ [22] sowie gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte entstanden war, und palästinensische Flüchtlinge einem humanitäre Problem machten, deren Schicksal durch politische Verhandlungen entschieden werden würde.

Die Nakba, die im Schatten der Ausarbeitung der Völkermordkonvention begangen wurde, wurde aus ihrem Geltungsbereich ausgeschlossen. Die Palästinenser:innen, deren Selbstbestimmung gewaltsam vereitelt wurde, konnten der neu entworfenen Konvention nicht beitreten. Und Israel, das als kanonisches Opfer des Völkermords gilt, konnte nicht als ihr erster angeklagter Völkermörder angeklagt werden. Die internationale Gemeinschaft normalisierte Nakba in den folgenden Jahrzehnten weiter, insbesondere durch die Resolution 242 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und den sich herauskristallisierenden diplomatischen Konsens für eine Zwei-Staaten-Lösung, die auf der Vertreibung und dem erzwungenen Exil einheimischer Palästinenser beruhte.

Heute setzt Israel diese Ausnahmetradition fort und besteht darauf, dass seine militärische Kampagne berechtigterweise zum Zweck der ethnischen Säuberung durchgeführt wird und dass sie, auch wenn sie völkermörderisch erscheinen mag, für seine nachhaltige und langfristige Sicherheit notwendig ist. Diese Logik besagt, dass die Nähe des Gazastreifens, in dem 2,3 Millionen Palästinenser:innen leben, von denen zwei Drittel Flüchtlinge sind, die in ihre ursprüngliche Heimat im heutigen Israel zurückkehren wollen, den gesamten Gazastreifen und seine zivile und sonstige Bevölkerung zu einer Bedrohung macht, die entfernt oder dauerhaft unterdrückt werden muss. Dementsprechend hat Israel darauf bestanden, dass es zur Erreichung seines militärischen Ziels einer nachhaltigen Selbstverteidigung keinen „roten Kampflinien“ unterliegen sollte und dass es sein souveränes Recht ist, die palästinensische Bevölkerung zu vertreiben und ihre Rückkehr zu verhindern.

Dieses Ziel wurde bisher mindestens dreimal öffentlich festgehalten. In einem durchgesickerten Dokument vom 13. Oktober, das von einer Forschungsagentur der israelischen Regierung verfasst wurde, wurde beschrieben, dass eine solche Entfernung „positive, langfristige strategische Ergebnisse für Israel“ mit sich bringe. [23] In einem weiteren Dokument des Misgav-Instituts für Nationale Sicherheit und Zionistische Strategie heißt es, dass dies „eine einzigartige und seltene Gelegenheit [24] darstelle, den gesamten Gazastreifen in Abstimmung mit der ägyptischen Regierung zu evakuieren“. Diese Meinung fand auf allen politischen Ebenen Israels Widerhall [25]. Der Sinai-Plan [26], wie er heute genannt wird, basiert auf einem Vorschlag, der Anfang der 2000er Jahre von Giora Eiland gemacht wurde, einem pensionierten Generalmajor, der zwischen 2004 und 2006 als Chef von Israels Nationalem Sicherheitsrat fungierte. Der Eiland-Plan sah vor, Gaza auszuhöhlen und Palästinenser:innen in den Sinai zu verlegen. Eilands Vision wurde zugunsten des 2005 angestrebten einseitigen Abzugs abgelehnt, legte aber dennoch den Grundstein für die heutige Kampagne. Erst kürzlich organisierte eine Koalition rechtsgerichteter israelischer Minister eine Konferenz mit dem Titel „Siedlung bringt Sicherheit und Sieg“ [27] und plädierte für die ethnische Säuberung des Gazastreifens und seine Wiederbesiedlung durch Israelis.

Wir sind Zeug:innen einer Nakba und eines Genozids, die als notwendig für die Sicherheit Israels dargestellt werden, und wir kämpfen gegen die Forderung, dafür eine gesetzliche Ausnahme zu machen. Die jüngste Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs ist Teil der Bemühungen, diese Ausnahme abzulehnen. Angesichts der Unsichtbarkeit der Nakba im Völkerrecht [28] könnte sich das Gesetz in dieser Hinsicht jedoch letztendlich als unzureichend erweisen.

Die Verantwortung für diese Aufgabe liegt weiterhin bei der kritischen Masse der Weltbevölkerung, der Millionen, die das wiederholt haben, was die Palästinenser:innen instinktiv erkennen, und nicht nur Israel und seine Verbündeten des Genozids bezichtigen, sondern auch ein klares und unmissverständliches Nein zur Nakba sagen. Dies bedeutet, die Gründungsgewalt Israels und die Logik, dass es ein Recht auf ausschließliche zionistische Siedlersouveränität hat, direkt in Frage zu stellen. Aus diesem Grund ist es absurd, dass die aktuelle weltweite Kampagne für einen Waffenstillstand und ein Ende des Genozids als kontrovers hingestellt wird und auf aktive Repression stößt. Die Ablehnung der Nakba 2023/24 ist die Ablehnung der Nakba, Punkt.

 

[1] https://thehill.com/policy/defense/4431217-netanyahu-casts-off-genocide-case-vows-to-push-ahead-against-hamas/

[2] file://users/sherene/Library/Containers/com.apple.mail/Data/Library/Mail%20Downloads/13D6361D-9911-4BA8-838F-07D175895BD0/began%20bombarding%20the%20last%20remaining%20hospital,%20Nasser%20Hospital,%20in%20the%20south%20%E2%80%93%20in%20Khan%20Younis%20%E2%80%93%20the%20last%20functioning%20hospital%20as%20it%20has%20decimated%20now%20nearly%2035%20other%20hospitals.

[3] https://www.haaretz.com/israel-news/2023-11-12/ty-article/israeli-security-cabinet-member-calls-north-gaza-evacuation-nakba-2023/0000018b-c2be-dea2-a9bf-d2be7b670000

[4] https://www.sup.org/books/title/?id=26507

[5] https://www.jadaliyya.com/Details/27551

[6] https://www.icj-cij.org/case/131

[7]

https://online.ucpress.edu/jps/article-abstract/47/1/18/54647/Taking-the-Land-without-the-People-The-1967-Story?redirectedFrom=fulltext

[8] https://www.sup.org/books/title/?id=26507

[9]

https://www.gov.il/en/Departments/General/behind-the-headlines-israel-designates-gaza-a-hostile-territory#:~:text=In%20light%20of%20continued%20terrorist,area%20surrounding%20the%20Gaza%20Strip.

[10] https://www.icc-cpi.int/sites/default/files/iccdocs/otp/OTP-COM-Article_53(1)-Report-06Nov2014Eng.pdf

[11] http://www.worldlii.org/int/journals/ISILYBIHRL/2001/11.html#:~:text=Article%203%20offers%20an%20international,protections%20offered%20under%20this%20provision

[12] https://www.icrc.org/en/doc/resources/documents/misc/additional-protocols-1977.htm

[13] https://www.reuters.com/world/us-not-drawing-red-lines-israel-white-house-2023-10-27/

[14] https://www.reuters.com/world/middle-east/secret-negotiations-that-led-gaza-hostages-deal-2023-11-22/

[15] https://edition.cnn.com/2023/12/21/politics/us-intelligence-analysis-hamas-influence/index.html

[16] https://www.wsj.com/world/middle-east/hamas-toll-thus-far-falls-short-of-israels-war-aims-u-s-says-d1c43164

[17] https://www.amnesty.org/en/latest/campaigns/2022/02/israels-system-of-apartheid/

[18]

https://www.un.org/en/genocideprevention/genocide-convention.shtml#:~:text=The%20Genocide%20Convention%20was%20the,during%20the%20Second%20World%20War.

[19] https://www.icj-cij.org/case/192

[20] https://imeu.org/article/plan-dalet

[21] https://www.youtube.com/watch?v=xtp1SAHoYSc

[22] https://www.cambridge.org/core/books/united-nations-and-the-question-of-palestine/E8241B33B6C07028765E5E6785AF5CDE

[23] https://www.cbc.ca/news/world/israel-gaza-palestinians-concept-paper-1.7015576

[24] https://theintercept.com/2023/10/25/israel-hamas-opportunity/

[25] https://carnegieendowment.org/sada/90869

[26] https://www.madamasr.com/en/2023/10/25/feature/politics/the-sinai-solution-reimagining-gaza-in-the-post-oslo-period/

[27]

https://www.reuters.com/world/middle-east/israeli-settlers-hold-conference-resettlement-gaza-2024-01-28/#:~:text=JERUSALEM%2C%20Jan%2028%20(Reuters),of%20the%20Occupied%20West%20Bank.

[28] https://www.thenation.com/article/archive/harvard-law-review-gaza-israel-genocide/

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