Amnesty Deutschland, folgt Euren Prinzipien: Aufdecken, Aufklären, Handeln, Verändern!

„Wer in Zeiten von Unterdrückung schweigt, hat sich auf die Seite der Unterdrücker gestellt.“ - Desmond Tutu, südafrikanischer Anti-Apartheidsaktivist und Unterstützer der palästinensischen Freiheitsbewegung.

Mit großer Erleichterung haben Menschen weltweit, insbesondere Palästinenser:innen und Friedensaktivist:innen, den sehr gut recherchierten und wissenschaftlich fundierten Apartheid-Bericht sowie die damit verbundene „End Israel‘s Apartheid“-Kamapagne von Amnesty International begrüßt. Umso tiefer ist die Enttäuschung über die Entscheidung der deutschen Landessektion, sich nicht an der Kampagne zu beteiligen und die Möglichkeit einer differenzierten Debatte von vornherein auszuschließen. Auf eurer Webseite ist der Bericht nur durch gezielte Suche zu finden. Millionen Palästinenser:innen, viele davon als Flüchtlinge in Deutschland lebend, werden durch euer aktives Schweigen gedemütigt. Verdient ihr Leid und ihnen zugefügtes Unrecht kein aktives Handeln?

Amnesty International leistet seit Jahrzehnten fundierte Aufdeckungsarbeit und Bekämpfung aller Formen von Menschenrechtsverletzungen weltweit. Mit dem Tragen dieses Namens seid ihr in der Pflicht – auch bei für Deutschland politischen Verbündeten wie Israel – keine Enthaltung im Kampf für universelle Menschenrechte walten zu lassen. Und die besondere Verantwortung, die sich aus der deutschen Geschichte ableitet, sollte gerade deshalbdazu führen, dass ihr euch gegen jede Form von Repression mit den Opfern solidarisiert und Täter als solche klar benennt.

Wir, Palästinenser:innen und Palästina-solidarische Aktivist:innen, brauchen Euch im Kampf für Gerechtigkeit und Frieden im Nahen Osten! Deutschland ist seit Jahrzehnten an den Ungerechtigkeiten in Nahost beteiligt. Seien es Waffenlieferungen an den Apartheid-Staat, das Wegschauen beim illegalen Siedlungsbau und der Vertreibung von Palästinenser:innen, der Raubbau palästinensischer Bodenschätze durch deutsche Unternehmen im Westjordanland oder die zahlreichen Versuche Deutschlands, Untersuchungen des Internationalen Strafgerichtshofs für Menschenrechte über Kriegsverbrechen Israels in Gaza zu verhindern. Das alles muss endlich aufhören. 

Wir, die Palästinenser:innen in Deutschland, werden in Folge eines vollkommen verzerrten Nahost-Diskurses regelmäßig angegriffen und dämonisiert. Pauschal werden wir als Antisemiten gebrandmarkt und mit Redeverboten, Jobkündigungen und Raumentzügen bedroht, wenn wir uns als Palästinenser:innen identifizieren, auf die ungerechte Lage in Israel/Palästina hinweisen und für uns Menschenrechte einfordern. Viele, die sich mit uns solidarisch zeigen, werden hierzulande für ihre menschenrechtsbejahende Haltung angegriffen und zur Gefahr erklärt. Eure Entscheidung, die aktuelle Menschenrechts- bzw. Anti-Apartheidkampagne nicht zu unterstützen, ist somit ein herber Schlag für alle Bemühungen um Gerechtigkeit. Eure vermeintliche Diplomatie ist eine Absage an Menschenrechte inner- und außerhalb Israels/Palästinas.

Mit der Begründung, jüdische Menschen in Deutschland schützen zu wollen, verwehrt ihrEuren Beitrag zur Bekämpfung der Apartheid in Israel und den durch Israel seit Jahrzehnten völkerrechtswidrig besetzten Gebieten. Amnesty Deutschland scheint sich damit auf die hierzulande üblich gewordene Gleichsetzung von jüdischen Menschen und dem Staat Israel zu beziehen. Das ist falsch und gefährlich. Vielmehr führt es zu einer Verschleierung bei der Bekämpfung von Antisemitismus und verunmöglicht eine sachliche, konstruktive Diskussion über den Nahostkonflikt. Durch eine Sonderstellung Israels in der Bewertung von Menschenrechtsverletzungen kann Antisemitismus kaum erfolgreich bekämpft werden.

Amnesty analysiert auf 280 Seiten detailliert, wie Israel diese systematische, institutionalisierte und staatliche Diskriminierung ausübt. Hier wird die traurige Realität belegt, die von Dutzenden (u.a. jüdisch-israelischen) Menschenrechtsorganisationen teils seit Jahrzehnten beklagt wird. Es ist tragisch, dass ihr aus Angst vor eventuell zunehmendem Rassismus gegen in Deutschland lebende Jüdinnen und Juden über den schon seit Jahrzehnten existierenden Rassismus gegen Millionen von Palästinenser:innen schweigt. Die drastische Geringschätzung von Menschenrechten für Palästinenser:innen erweckt den Eindruck, als werde hier jüdisches gegen palästinensisches Leben ausgespielt. Ein fatales Signal, fördert dies sowohl antisemitischen als auch anti-palästinensischen Rassismus.

Uns beschleicht der Verdacht, dass eine immense Angst vor Hetzkampagnen, Bild-Schlagzeilen, Anwendung der Anti-BDS-Resolution des Bundestages und mögliche Spendenkürzungen die Grundlage Eurer Entscheidung war. Zu Recht! Seit Jahren sind wir als Palästinensern:innen und Palästina-solidarische Aktivist:innen solcher Schikanierung schutzlos ausgesetzt. Und gemeinsam beklagen wir die Stigmatisierung und Delegitimierung all jener, die sich gegen die Unterdrückung der Palästinenser:innen durch die israelische Besatzungspolitik aussprechen. Die notwendige Solidarität mit Jüdinnen und Juden schließt nicht die Solidarität mit den Palästinenser:innen aus! 

Traut Euch, mit uns gemeinsam diese repressiven Zustände in Deutschland aufzuklären und zu ändern, um einem ehrlichen Nahost Diskurs den Weg zu ebnen. Lasst uns gemeinsam Seite an Seite gegen Ungerechtigkeit kämpfen. Wir freuen uns, mit euch und unseren Freund:innen und Mitstreiter:innen in einen offenen Austausch zu treten.

"Israel ist nicht der Staat all seiner Bürger... [sondern] der Nationalstaat des jüdischen Volkes und nur dessen." - Benjamin Netanjahu, Israels damaliger Ministerpräsidenten im März 2019

An alle Familien, Freundinnen und Freunde des palästinensischen Volks:
Schließt Euch uns an und lasst Amnesty International Deutschland wissen, was ihr von ihrem Schweigen zu dem Apartheid-Bericht haltet. HIER findet ihr weitere Informationen.

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Palästina-Demo: Wir fordern die deutsche Presse auf, journalistischen Prinzipien nachzukommen und unsere Gegenperspektive ebenfalls zu veröffentlichen!

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Großer Erfolg für alle Stimmen für Palästina: die deutsche Politik muss die Repression beenden