Antisemitismusvorwürfe im Zuge des Gedenkens an Hanau

In ganz Deutschland nahmen im Zuge des Gedenkes an die rassistischen Morde von Hanau in den letzten Tagen palästinensische und palästinasolidarische Gruppen an Kundgebungen und Demonstrationen teil. In Reaktion auf die Anwesenheit dieser Gruppen und das Äußern von palästinasolidarischen Positionen kam es daraufhin zu Anfeindungen durch einige vorgeblich "linken", sich antirassistisch und antisemitismuskritisch gebenden Gruppen. Diese Gruppen versuchen so, das kämpferische Trauern um die Ermordeten von Hanau für ihren perfiden anti-palästinensischen Rassismus zu instrumentalisieren und selbstorganisierte migrantische Bündnisse zu spalten.

So riefen zum Beispiel am 19.02.21 in Köln-Nippes die Gruppen Palästina spricht NRW und Young Struggle Köln als Teile eines größeren Bündnisses unter anderem mit Migrantifa NRW zu einer Kundgebung auf, bei der von rassifizierten Menschen kämpferisch an die rassistischen Morde von Hanau erinnert wurde. Sowohl Palästina spricht NRW als auch Young Struggle Köln betonten in ihren Redebeiträgen die Zusammenhänge internationaler, rassistischer, kolonialistischer und kapitalistischer Gewalt. Während Young Struggle Köln explizit Gaza als Ort erwähnte, an dem die unterdrückerischen Auswirkungen von Kapitalismus und Kolonialismus sichtbar werden und bekämpft werden müssen, äußerte Palästina spricht NRW in einem eigenen Redebeitrag:

  • Wir fordern eine Welt, in der nicht nur Menschen in Palästina vom Fluss bis zum Meer, sondern alle Menschen überall frei von siedlungskolonialistischer Unterdrückung , Apartheid, Ausbeutung und Patriarchat leben können.

In einigen Reaktionen auf die Redebeiträge der beiden Gruppen wurden Young Struggle Köln und Palästina spricht NRW als "antisemitisch" bezeichnet und ihnen vorgeworfen, das Gedenken an Hanau zu instrumentalisieren. Vielmehr zeigt jedoch dieser (nicht begründete) Antisemitismusvorwurf, dass offensichtlich weiße, "linke" Gruppen sich an der Selbstorganisierung von migrantisierten Gruppen stören und ihrerseits kämpferische Gedenkveranstaltungen diffamieren wollen. Wenn beispielsweise das genannte Zitat aus dem Redebeitrag von Palästina spricht NRW in diffamierender und vorgeblich antisemitismuskritischer Art und Weise mit einem Aufruf zur Vernichtung Israels gleichgesetzt wird, so offenbart sich so vielmehr, dass im Verständnis der diesen Antisemitismusvorwurf äußernden Gruppen Siedlungskolonialismus, Apartheid, Ausbeutung und Patriarchat unbedingt zwischen dem Mittelmeer und dem Jordan-Fluss erhalten bleiben müssen - nämlich als "israelische" Staatsideologie, die ganz wesentlich die Eigenschaften aller jüdischen Menschen bestimme. Diese vorgenommene Gleichsetzung von Zionismus und "Jüdisch Sein" entlarvt letztendlich den tatsächlichen Antisemitismus dieser sich zwar antisemitismuskritisch gebenden, aber blind regressiven Ideologien folgenden Gruppen.

In Stuttgart riefen am 19.02.21 die Gruppen Palästina spricht Stuttgart, Young Struggle und andere Gruppen zu einer Kundgebung auf, bei der ebenfalls explizit koloniale und kapitalistische Unterdrückung auf der ganzen Welt, unter anderem in Palästina, zum Thema gemacht wurde. Dies geschah auch in Reaktion auf den Ausschluss von Young Struggle aus einem von Migrantifa Stuttgart organsierten Bündnis unter anderem mit einer zionistischen bürgerlichen Organisation, die im Laufe der Bündnisarbeit Young Struggle als antisemitisch diffamierten und den Ausschluss so erwirkten.

Es zeigt sich in Stuttgart zum wiederholten Male, genau wie zum Beispiel auch in Frankfurt während der Diffamierungskampagne gegen Free Palestine FFM im Oktober 2020, dass die Palästina-Frage in Deutschland eine Frage ist, bei der sich neoliberale, bürgerliche, weiße Strukturen offenbaren. Schließlich speist sich der neue deutsche Nationalstolz über das eigene Aufgeklärtsein, Reflektiertsein und Geläutertsein nach 1945 vor allem aus der Tatsache, dass struktureller Rassismus und Antisemitismus in Deutschland massiv verharmlost und mit dem Finger auf angebliche gefährliche palästinensische und palästinasolidarische Gruppen gezeigt wird. Es ist deswegen kein Zufall, dass sich anhand des Themas Palästina auch für Migrantifas und neue migrantische und/oder BIPOC Gruppen entscheiden wird, auf welcher Seite sie stehen. Eine Migrantifa-Gruppe, wie die in Stuttgart, welche eine palästinasolidarische Gruppe aus einem Bündnis ausschließt und sich so rechten bürgerlichen Argumenten unterwirft, verdient es nicht, als Vertreterin von Migrant*innen und BIPOC in Deutschland zu sprechen.

Es ist Zeit, endlich mit unsolidarischen, rassistischen und regressiven Gruppen zu brechen, um in Zukunft einen unbedingt solidarischen und gemeinsamen Kampf gegen Rassismus auf der ganzen Welt zu führen! Antirassismus kennt keine Ausnahmen, und jeder antirassistische Kampf ohne die Solidarität mit den Palästinenser*innen ist ein bereits verlorener, weil heuchlerischer Kampf!

Genau deshalb formulierte Palästina spricht NRW im Redebeitrag am 19.02.21 deutlich:

  • Wir fragen euch heute und wir werden euch auch in Zukunft immer wieder fragen: Wo steht ihr? Auf der Seite von Repression, Kriminalisierung betroffener, sich gegen Kolonialismus, gegen Besatzung aussprechender Gruppen? Oder auf der Seite von weißen, bürgerlichen, sich in einer angeblichen "Erinnerungskultur" sonnenden und dabei Rassismus verschweigenden Mehrheitsgesellschaft? Wer leistet echte antirassistische Arbeit und wer tut nur so?

Für uns ist klar wo wir stehen: Vereint im Kampf gegen Rassismus, Faschismus, Unterdrückung und Ausbeutung und vor allem solidarisch an der Seite von unseren Genoss*innen von Young Struggle in ganz Deutschland.

Palästina spricht NRW

Palästina spricht Stuttgart

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Pressemitteilung von Palästina Spricht zur 1. Mai Demonstration in Berlin