Die Absage der Partnerschaft mit Palästina Spricht durch Dear White People ist ungerechtfertigt!

Von Palästina Spricht-Freiburg & Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.

Das Kuratorium von Dear White People hat die zuvor ausgesprochene Einladung für Palästina Spricht zu einem Vortrag über "Anti-Palästinensischen Rassismus" bei Dear White People Vol.3 (Let's break the silence) am 17. Mai 2021 zurückgezogen. Die offizielle Begründung für die Ausladung war der Druck von Seiten der Förderer der Veranstaltung, motiviert durch falsche Behauptungen, dass Palästina Spricht antisemitische und volksverhetzende Äußerungen getätigt haben soll. (1)

Palästina Spricht (PS) hatte Dear White People (DWP) immer wieder hinreichende Beweise dafür geliefert, dass PS gegen jede Form von Diskriminierung eintritt und keinerlei Hass duldet. Letztendlich zwang jedoch der extreme Druck ihrer Förderer DWP dazu PS von der bevorstehenden Veranstaltung auszuladen.

Wir fordern DWP auf, sich gegen das Mundtotmachen auszusprechen und sich für nicht repräsentierte und unterdrückte Minderheiten einzusetzen. Zuzulassen, dass Geldgeber unbegründete Behauptungen in den Raum stellen, um uns zum Schweigen zu bringen, trägt massiv zur Untergrabung der Redefreiheit in unserer Gesellschaft bei.

 

Das Schweigen von Dear White People zu anti-palästinensischem Rassismus
Sowohl PS als auch DWP beziehen sich bei ihrer Definition von Antisemitismus auf die Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus, kurz JDA (2). Die JDA beschreibt, dass die Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS) der palästinensischen Zivilbevölkerung, die Kritik an Israel und das Aufzeigen der zahllosen Menschenrechts- und Völkerrechtsverletzungen von Israel nicht als antisemitisch einzustufen sind.

Obwohl PS klar gemacht hat, dass sie Antisemitismus ernst nehmen und sich ganz klar davon in der Öffentlichkeit distanzieren, hat sich Dear White People entschieden, lieber den Anweisungen ihrer Geldgeber zu folgen. Damit hat DWP zugelassen, dass ihre Plattform als Werkzeug für anti-palästinensischen Rassismus und für Schmierkampagnen gegen People of Color instrumentalisiert wird. Insgesamt muss man feststellen, dass DWP durch die Ausladung von PS zum Mundtotmachen kritischer Stimmen beiträgt.

“Anti-palästinensischer Rassismus besteht darin, die Geschichte und das anhaltende Leiden des palästinensischen Volkes zu leugnen. Er zielt auch darauf ab, diejenigen, die Israels Umgang mit den Palästinenser*innen als kritisch ansehen, als antisemitisch darzustellen [...].Die Lobbyarbeit gegen Palästinenser*innen und diejenigen, die Israels Verletzungen der palästinensischen Menschenrechte ansprechen, hat zu einem eingeschränkten Verständnis der palästinensischen Erfahrungen und Perspektiven geführt und es leichter gemacht, Menschenrechtsverteidiger und Wissenschaftler als gewalttätig und/oder anfällig für Israelkritik aus Antisemitismus zu diffamieren.” 
(Arab Canadian Lawyers Association, Independent Jewish Voices Canada, and British Columbia Civil Liberties Association. 2020. “Canadian Judicial Council File 20-0275 – Joint Complaint Regarding the Alleged Conduct of Justice David Spiro.” https://www.ijvcanada.org/wp-content/uploads/2020/10/CJC-complaint-re-Justice-Spiro-ACLA-IJV-BCCLA.pdf)

Das progressive Kuratorium von Dear White People sollte recht gut wissen, dass palästinensische Aktivist*innen in Deutschland zum Schweigen gebracht, diffamiert und verleumdet werden und ihre Karriere oft zerstört werden. Darüber hinaus sind sie in Palästina mit Apartheid, Verfolgung und illegaler Besatzung konfrontiert, wie von Human Rights Watch (3), B'Tselem (4), Yesh Din (5) und verschiedenen Gremien der UN konstatiert und bereits dokumentiert wurde und von Palästinenser*innen selbst schon seit Dekaden angeprangert wird. Es ist das Recht und die Pflicht der Palästinenser*innen, ihre Stimme gegen die Verbrechen zu erheben, die in Palästina begangen werden. Darüber hinaus ist es für PS beleidigend, von sogenannten „progressiven“, „antirassistischen“ und anscheinend „linken“ Gruppen zum Schweigen gebracht zu werden. Gleichzeitig ist es für uns paradigmatisch, dass die bodenlose Verlassenheit, die wir durch sogenannte „Progressive“ oder „Linke“ in Deutschland erfahren, auch hier wieder systematisch gegen PS mobilisiert wird. Palästina Spricht hofft, dass „Dear White People“ daraus Schlüsse ziehen wird, die für die deutsche Gesellschaft allgemein gelten, anstatt ihr Verhalten nur als einen Einzelfall im Neoliberalismus abzutun. Diese durchaus gewollte und bewusste Mundtotmachung und „Cancel Culture“ ist Teil einer strukturellen Diskriminierung, die Palästinenser*innen schon seit Langem immer wieder widerfährt – von allen Seiten des politischen Spektrums. Aber, wie Martin Luther King bereits sagte: "In the end, we will remember not the words of our enemies, but the silence of our friends."

 

Ein Aufruf zum Handeln
Wir nehmen diese Veranstaltung als Beispiel, um zu diskutieren, was es bedeutet, strukturell aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen zu werden, besonders wenn es um Menschenrechts-Themen geht. Schon lange geht es nicht mehr nur um Palästina oder die Rechte der Palästinenser*innen, vielmehr werden mit solchen Einschränkungen der Meinungsfreiheit die Prinzipien emanzipatorischen Denkens und Handelns wieder in Frage gestellt. Dabei sind Themen wie der Schutz von Frauen und ethnischen Minderheiten, das Ende von Sklaverei, Apartheid und Rassentrennung, sexueller Diskriminierung und klassenbedingten Ausschlüssen keine "Meinungsfragen", sondern historisch erkämpft und kollektiv als die Ethik etabliert worden, welcher demokratische Gesellschaften - vorgeblich - gerecht werden wollen. Doch diese Ethik wird durch solche Aktionen wie die der DWP-Organisatoren eklatant untergraben.

  • Wir fordern DWP auf, eine konsequente antirassistische Haltung einzunehmen und das Mobbing und die Diskriminierung durch ihre Geldgeber zurückzuweisen.

  • Wir fordern alle Teilnehmer*innen und Referenten*innen der DWP auf, das Thema des anti-palästinensischen Mundtotmachens und Rassismus in Deutschland zu thematisieren.

  • Wir laden DWP und ihre Förderer*innen zu einer Diskussion am Runden Tisch ein, in der es darum geht, wie wichtig es ist, dieses Schweigen zu bekämpfen und Wege zu finden, dass die deutschen Institutionen nicht zwischen den Bedürfnissen von Minderheiten und der Bedeutung der Bekämpfung von Rassismus aller Art - in Deutschland und weltweit - spalten.

Wir verstehen, dass Geldgeber und Förderer Einfluss auf die Entscheidungen von Fördermittelempfänger*innen haben können, und dies kann Druck erzeugen, besonders für kleine Gruppen im ganzen Land, die Bildungs- und Aktivistenarbeit auf Gemeindeebene leisten. Aber zu akzeptieren, von Geldgebern unter Druck gesetzt zu werden um damit Politik zu machen, wird nur dazu führen, dass fortschrittliche Stimmen in unserer Gemeinschaft zum Schweigen gebracht werden, demokratische Strukturen zerstört werden und eine Atmosphäre geschaffen wird, in der Geflüchtete, People of Color, und Migrant*innen letztendlich, durch ähnliche Muster, aus dem öffentlichen Raum und der Debatte ausgeschlossen werden.


Liebe Dear White People, lasst uns gemeinsam gegen das Silencing kämpfen! Demokratie braucht alle Stimmen um weiterhin stark zu bleiben.

 

Referenzen

(1) “Zusammen Leben e.V. | Statements.” 2021. May 19, 2021. https://zlev.de/kunst-kultur/dear-white-people-let-s-break-the-silence/statements.

(2) JDA. 2021. “The Jerusalem Declaration on Antisemitism.” March 25, 2021. https://jerusalemdeclaration.org/.

(3) Human Rights Watch. 2021. “A Threshold Crossed: Israeli Authorities and the Crimes of Apartheid and Persecution.” April 27, 2021. https://www.hrw.org/report/2021/04/27/threshold-crossed/israeli-authorities-and-crimes-apartheid-and-persecution.

(4) B’Tselem. 2021. “A Regime of Jewish Supremacy from the Jordan River to the Mediterranean Sea: This Is Apartheid.” January 12, 2021. https://www.btselem.org/publications/fulltext/202101_this_is_apartheid.

(5) Yesh Din. 2020. “The Occupation of the West Bank and the Crime of Apartheid: Legal Opinion.” https://www.yesh-din.org/en/the-occupation-of-the-west-bank-and-the-crime-of-apartheid-legal-opinion/.

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Statement von Palästina Spricht Freiburg zum abgesagten Panel “Wie kann in Deutschland ein Sprechen zur Situation in Israel und Palästina stattfinden und ein Raum für Dialog ermöglicht werden?”

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Pressemitteilung: Offener Brief an die Bundesregierung - Unbedingter Einsatz für die Menschenrechte der Palästinenser:innen