Gedenken an die Opfer des Gaza-Kriegs von 2014

21. August 2020, 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr, Platz der Alten Synagoge, Freiburg im Breisgau

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Im Juli 2014 begann Israel einen Vernichtungskrieg gegen die zivile Bevölkerung des Gazastreifens, dabei starben 2.174 Menschen, 80 % waren Zivilisten, ein Drittel waren Kinder (Quelle: Euro-Mediterranean Human Rights Monitor). In Europa herrschte Schweigen, es wurde ganze 6 Wochen zugeschaut wie komplette Familien vernichtet wurden, wie ganze Wohnblocks vom Erdboden verschwanden. 6 Jahre ist es her, jedoch werden die Konsequenzen heute noch im Gazastreifen getragen. Nach wie vor tausende zerstörte Häuser, tausende amputierte Beine oder Arme, tausende traumatisierte Kinder und eine anhaltende Blockade.

Um diesen Opfern zu gedenken, an deren Leid vor 6 Jahren und das andauernde Leid ihrer Hinterbliebenen zu erinnern, hatten unsere Genoss*innen von Palästina Spricht am 21.08.2020 eine Veranstaltung am Platz der Alten Synagoge in Freiburg geplant und von der dortigen Stadtverwaltung genehmigen lassen. Dieser historische Ort ist ein Augenzeuge vieler Veranstaltungen, die an das Leid vieler Menschen aus aller Welt erinnern, vor allem aber erinnert er an das Leid unserer jüdischen Schwestern und Brüder, die das grausame Verbrechen des Holocaust erleben mussten. Ein in seiner Grausamkeit und Schmerz einzigartiges Verbrechen, das das Antlitz des 20. Jahrhundert verunstaltet hat.

Das Gedenken von Menschen, die Opfer der Ungerechtigkeit wurden, unabhängig von Ort, Ethnie, Religion oder Hautfarbe, hat eine universelle Botschaft, die das menschliche Leid vereint und eine gemeinsame Identität schafft, geprägt von Schmerz und Verfolgung, geleitet von Hoffnung und Liebe für Menschen, alle Menschen.

Palästinenser*innen sind Teil der kulturellen Diversität in Deutschland und tatsächlich besitzen auch sie Grundrechte wie das Demonstrationsrecht. Dieses Recht ist allgemeingültig und kann und darf nicht für die verblendete menschenverachtende Einstellung mancher geopfert werden. Es hat Tradition in diesem Land, dass jede Diskussion über Palästina über den Kopf der Palästinenser*innen hinweg geführt wird. Diese Tradition hat auch der Bundestag übernommen, vertreten durch Menschen, die mit einzelnen Ausnahmen noch nie auch nur einen Fuß auf palästinensischen Boden gesetzt haben. Nicht zuletzt mit dem Anti-BDS-Beschluss, ein Beschluss, der jeglicher Grundlage entbehrt, entgegen dem deutschen Recht, entgegen dem europäischen Recht, entgegen dem internationalen Recht und entgegen den Resolution der Vereinten Nationen.

Es wird lange diskutiert und keiner denkt eine Sekunde lang über den Anlaß dieser Demonstration nach. Dass der Gazastreifen -nach wie vor- das größte Freiluftgefängnis ist, wird außer Acht gelassen. Dass palästinensische Kinder -nach wie vor- vor Militärgerichte gestellt werden, wird außer Acht gelassen. Dass palästinensisches Land -nach wie vor- geraubt wird, wird außer Acht gelassen. Dass Palästinenser*innen an jedem Checkpoint- nach wie vor- einfach erschossen werden, wird außer Acht gelassen. 

Als weitere Taktik der Täuschung wird immer wieder von zwei Punkten abgelenkt.

1. Das Judentum hat seinen Ursprung religiös und menschlich im Orient, daher Palästina mit anti-jüdisch gleichzusetzen ist eine verleumderische Lüge, entgegen der Logik, entgegen der Geschichte und entgegen der Tatsache, dass eine friedliche Koexistenz zwischen allen Glaubensrichtungen in Palästina für Jahrhunderte möglich war. Wenn ein Mensch eine rassistische dehumanisierende Einstellung hat, dann ist das Problem der Rassismus und die dehumanisierende Einstellung. Wenn ein jüdischer oder auch nicht jüdischer Mensch Israel über jede Kritik erhaben halten will, dabei Rassismus, Kriege, Massaker und Menschenrechtsverletzungen aller Art unterstützen oder nicht verurteilen will, dann ist unser Problem der Rassismus dieses Menschen und nicht, dass er jüdisch ist oder nicht. Unsere Gruppe wird von Menschen aller Glaubensrichtungen vertreten.

2. Der Antisemitismus ist ein europäisches Phänomen, das immer gegen Menschen gerichtet war und ist. Antizionismus und Israelkritik sind eine politische Haltung, die gegen die menschenverachtende Politik Israels gerichtet ist. Beides gleichzusetzen ist diffamierend und stellt durch Ablenkung von den begangenen Menschenrechtsverletzungen eine Mittäterschaft dar.

Uns ist bewusst, dass es ein langer Weg bis zur Durchsetzung der Gleichheit und der Menschenrechte in Palästina/Israel sein wird, jedoch werden wir alle nötige Kraft und Energie aufbringen um unseren Beitrag zu einer gerechteren Welt zu leisten, in Palästina und überall. Wir bedanken uns bei allen Freunden und Unterstützern.

Free Palestine!

 

STELLUNGNAHME VON PALÄSTINA SPRICHT FREIBURG ZUM ENTZUG DES RECHTS AUF VERSAMMLUNG AUF DEM PLATZ DER ALTEN SYNAGOGE DURCH DIE STADT FREIBURG

Die Äußerung von Menschenrechtsverletzungen ist nicht mit Antisemitismus gleichzusetzen!
Das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit ist im deutschen Grundgesetz verankert. Auf dem Platz der Alten Synagoge in Freiburg finden regelmäßig verschiedene Arten von Demonstrationen und Reden statt. Diese reichen von Demonstrationen der Fridays for Future Bewegung über Demonstrationen, welche auf die Menschenrechtsverletzungen während der Flüchtlingskrise hinweisen, bis hin zum Gedenken an unsere jüdischen Brüder und Schwestern, die während des Holocausts Leid erfahren haben.

Gerichtsurteil gegen den Versuch der Stadt Freiburg, die Redefreiheit einzuschränken
Am Freitag, den 21. August, hatte "Palästina Spricht" geplant, zusammen mit anderen palästinensischen Organisationen und Einzelpersonen eine Gedenkveranstaltung für die 1.545 palästinensischen (1) und 5 israelischen zivilen Opfer (2) des Krieges von 2014 in Gaza abzuhalten. Die Gedenkveranstaltung wurde zwei Wochen im Voraus von der Stadt Freiburg genehmigt. Am Tag der Veranstaltung um 14 Uhr, lediglich fünf Stunden vor dem geplanten Beginn der Veranstaltung, beschloss die Stadt Freiburg nach öffentlicher Kritik der Jüdischen Gemeinde und Egalitären Gemeinde in Freiburg, uns das Recht auf die friedliche Versammlung auf dem Platz der Alten Synagoge für diese Veranstaltung zu entziehen. Sie schlug vor, die Veranstaltung in ein weniger stark frequentiertes Gebiet in Freiburg zu verlegen, wodurch die mögliche Reichweite der Veranstaltung eingeschränkt worden wäre. Dies stellte allerdings eine direkte Verletzung der Gleichberechtigung aller Freiburger Bürger*innen dar. Die Erklärung der Stadt Freiburg basierte auf der falschen Behauptung, dass die Veranstaltung in Richtung der Unterstützung des sekundären Antisemitismus gehen könnte. Wir möchten betonen, dass die Äußerung von Menschenrechtsverletzungen jeglicher Art nicht gleichbedeutend mit Antisemitismus ist. Wir sind eine Organisation, die sich für Menschenrechte und gegen jede Form des Rassismus, inklusive des Antisemitismus, einsetzt.

Was die Stadt Freiburg anbelangt, so fanden wir es äußerst verletzend, dass unbegründete Annahmen und Anschuldigungen ausreichend waren, um den Versuch zu unternehmen, unsere Grundrechte einzuschränken. Wir bedauern sehr, dass die Stadt Freiburg auf Basis dieser Annahmen und Anschuldigungen gehandelt hat, ohne weitere Untersuchungen anzuordnen oder Fakten nachzugehen. Während der gesamten Demonstration am 21. August betonten wir immer wieder, dass:

"wir [..] nicht hier [sind], um den Schmerz des Holocaust mit dem Leid der Palästinenser zu vergleichen, und [dass] wir verstehen, dass jeder Schmerz auf seine eigene Weise schmerzt. Wir sind hier, um Sie zu bitten, den palästinensischen und israelischen zivilen Opfern des Gaza-Krieges von 2014 Respekt zu zollen".

Daher ist es sehr bedauerlich und für uns unverständlich, dass die Stadt Freiburg beschloss, ihre Genehmigung für eine friedliche Versammlung auf dem Platz der Alten Synagoge zurückzuziehen, nachdem sie mit unangemessenen Argumenten, wie zum Beispiel

„Der Platz der Alten Synagoge ist für Palästinenser*innen nicht der richtige Ort, um den zivilen Opfern des Gaza-Krieges von 2014 zu gedenken.“

oder

„Das Gedenken an die palästinensischen Opfer unter der Zivilbevölkerung könnte zu sekundärem Antisemitismus eskalieren.“

konfrontiert wurde.

Das kurze Zeitfenster, welches uns die Stadt Freiburg ließ, machte eine gerichtliche Überprüfung unseres Anliegens fast unmöglich. Wir freuen uns sehr, dass das Verwaltungsgericht rechtzeitig zu unseren Gunsten entschied, sodass wir den palästinensischen und israelischen Zivilopfern des Gaza-Krieges 2014 wie geplant friedlich gedenken konnten. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es nicht rechtmäßig ist, das Recht auf friedliche Versammlung auf dem Platz der Alten Synagoge in Freiburg allein aufgrund der Herkunft der Organisator*innen (palästinensisch) und der falschen Behauptung und Annahme, dass diese antisemitisch eingestellt sein könnten, einzuschränken.

Unausgewogener Journalismus - Badische Zeitung
Auf ähnliche Weise warf Herr Joachim Röderer, ein Journalist der Badischen Zeitung, uns vor, wir hätten uns den „völlig falschen Ort“ für unsere Gedenkveranstaltung ausgesucht, anstatt nach Details der Veranstaltung zu fragen und sich darüber zu erkundigen, welche Inhalte wir vermitteln wollten. Wir luden ihn daher zu der Veranstaltung ein, damit er sich unsere Botschaft anhören konnte. Unsere Antwort an Herrn Röderer lautet, dass die Freiheit der friedlichen Versammlung ein im deutschen Grundgesetz verankertes Recht ist, welches für alle Bürger*innen gilt. Eine Einschränkung für Teile der Bevölkerung würde den faschistischen Gedanken anregen, die Rechte bestimmter Minderheiten einzuschränken, um die Freiheit der Mehrheit zu gewährleisten. Stattdessen bat uns Herr Röderer am 20. August um eine Stellungnahme zu seiner persönlichen Ansicht, dass wir den falschen Ort für unsere Veranstaltung gewählt hätten, sowie zu unserer Haltung zu der Boykott-, Desinvestitions- und Sanktionsbewegung (BDS). Wir haben eine derartige Stellungnahme abgelehnt, da es bei der Veranstaltung nicht um BDS ging und wir wie alle, die bisher auf dem Platz der Alten Synagoge demonstriert haben, das Recht besitzen, dasselbe zu tun wie alle gesetzestreuen Einwohner*innen und Bürger*innen Deutschlands. Offenbar war die Badische Zeitung bei der Kundgebung anwesend, denn sie veröffentlichte einen Artikel über die Kundgebung (https://www.badische-zeitung.de/eilentscheid-palaestina-demo-nun-doch-auf-platz-der-alten-synagoge), in welchem sie erwähnte, dass das Freiburger Verwaltungsgericht unser Recht auf friedliche Versammlung und Meinungsäußerung auf dem Platz der Alten Synagoge bestätigt hatte. Es ist jedoch bedauerlich, dass die Zeitung keine Anstrengungen unternommen hat, mit den Organisator*innen zu den Inhalten und Gründen der Veranstaltung zu sprechen. Stattdessen sprach sie ausschließlich mit der Polizei und Sprechern der Jüdischen Gemeinde Freiburg. Sie behandelte uns, als wären wir Verdächtige eines mutmaßlichen Verbrechens und zogen uns gleichzeitig für dieses nicht existente Verbrechen zur Rechenschaft. Wir hätten sehr gerne mit der Badischen Zeitung gesprochen, um ihnen darzulegen, in welch hohem Maße wir für Frieden, Menschenrechte, Umweltgerechtigkeit, Gleichberechtigung für LGBTQ und viele weitere Werte einstehen.

Wer wir wirklich sind!
Das Schmerzlichste hierbei ist für uns, dass wir als Palästinenser*innen immer wieder Fragen zu Holocaust-Leugnung und Antisemitismus beantworten müssen. Wir finden dies und den schwerwiegenden Vorwurf der Holocaust Relativierung absurd, da der Holocaust durch das deutsche Naziregime stattfand und Antisemitismus als beklagenswerte Denkschule ihren Ursprung in Europa und nicht im Nahen Osten fand. Tatsächlich sahen die Palästinenser*innen im Naziregime eine weitere Gefahr, die sich von Europa aus dem Nahen Osten näherte. Auf dieses Risiko haben die Palästinenser*innen reagiert, indem sie dem alliierten Widerstand 12.000 Soldaten gegen den Nazismus in Europa opferten. Viele dieser Soldaten kämpften Seite an Seite mit ihren jüdischen Kameraden. Dies war ein großes Opfer für ein armes Land mit ca. 1 Million Einwohnern, welches zu jener Zeit vom Britischen Reich besetzt war. (3)

Wir bei Palästina Spricht setzen uns für die Menschenrechte der Palästinenser*innen und aller anderen Menschen ein und sind gegen jede Form von Rassismus und Diskriminierung.

Wir sind dem Verwaltungsgericht für die Wahrung unserer Rechte sowie den vielen Freiwilligen, die uns bei der Organisation, Verwaltung und Durchführung des Gedenktages geholfen haben, dankbar. Unsere Herzen sind bei den vielen Opfern, die seit dem Gaza-Krieg von 2014 gestorben sind. Wir hoffen, dass dies das letzte Mal war, dass wir die Namen derer vorlesen müssen, die irgendwo auf der Welt Opfer von Menschenrechtsverletzungen geworden sind.

Gegenwärtig betrachten die Vereinten Nationen den Gazastreifen als unbewohnbar. Den Kraftwerken, Krankenhäusern und Wasseraufbereitungsanlagen ist aufgrund der Schließung des Warenübergangs in den Gazastreifen durch das israelische Militär der Brennstoff ausgegangen, 97% des Süßwassers ist nicht trinkbar und die Fischerei im Mittelmeer ist für alle palästinensischen Fischer von Israel verboten worden. (4)

Das Mindeste, was wir für die Menschen in Gaza in dieser unmenschlichen Situation tun können, ist es, unsere menschliche Solidarität zu zeigen.

Das Palästina Spricht Team aus Freiburg

(1) Al Mezan Center For Human Rights, Gaza 2015
(2) Amnesty International, London 2015
(3) Abbasi, Mustafa. 2017. “Palestinians Fighting against Nazis: The Story of Palestinian Volunteers in the Second World War.” War in History 26 (2): 227–49. https://doi.org/10.1177/0968344517696527.
(4) PBS, 2019. Water crisis may make Gaza Strip uninhabitable by 2020.
+972 Magazine, 2019: The UN predicted Gaza would be unlivable by 2020. They were right.
Aljazeera, 2020. Gaza's lone po wer plant shuts down amid tensions with Israel.

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Broken – A Palestinian Journey through International Law and Justice

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1. Palästina Sommertreff